Hunde sind Fleischfresser, weil…oder doch nicht?

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Vor einiger Zeit habe ich in einem Beitrag verschiedene Studien zusammengefasst, die darauf hindeuten, dass Hunde keine reinen Fleischfresser mehr sind und Beutetiere nicht ihrer natürlichen Nahrung entsprechen:

Sind Hunde Fleischfresser?

Daraufhin ergaben sich sowohl unter dem Beitrag als auch in sozialen Netzwerken zahlreiche Diskussionen. Dabei wurden hauptsächlich vier Argumente angebracht, die gegen die oben genannte Theorie sprechen. Und auch wenn alle diese Argumente auf den ersten Blick sehr einleuchtend klingen, sind die Antworten bei genauerer Betrachtung doch nicht so eindeutig. Im Folgenden möchte ich näher darauf eingehen.

Hunde sind Fleischfresser, weil…

…sie zu 99% das Gengut mit dem Wolf teilen und der schließlich auch ein Fleischfresser ist.

Nunja, wir Menschen teilen 98,5% unserer Gene mit Schimpansen. Dennoch unterscheiden wir uns deutlich von Ihnen – u.a. auch in den Nahrungsgewohnheiten. Warum sollte das bei Hund und Wolf anders sein?

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…weil sie das Gebiss eines Fleischfressers haben.

Richtig ist auf jeden Fall erstmal, dass das Gebiss von Hunden eher dem eines Fleischfressers ähnelt, als dem eines Pflanzenfressers. Das schließt allerdings nicht aus, dass sie sich omnivor ernähren können. Bären zum Beispiel haben auch ein ähnlich aufgebautes Gebiss und ernähren sich  omnivor (mit Ausnahme des Eisbären). Und das obwohl sie zu den Carnivora gehören. In dem Fall hat aber die biologische Ordnung (Carnivora = Raubtiere) nichts mit der Ernährungsweise (Omnivor = Allesfresser) zu tun. Der Pandabär zum Beispiel ernährt sich bekanntermaßen sogar hauptsächlich von Bambus.

Ähnliches trifft auch zum Beispiel auf Waschbären zu. Auch Füchse gelten als Allesfresser. Und deren Gebiss unterscheidet sich nun nicht massiv von dem eines Hundes.

Und Ratten haben zum Beispiel ein eindeutiges Nagergebiss, ernähren sich aber auch omnivor.

…weil der Darm dem eines Fleischfressers entspricht.

Auch der Hinweis mit der Darmlänge ist nur bedingt aussagekräftig. Das Verhältnis der Darmlänge zur Körperlänge beträgt beim Menschen (als unumstrittenen Allesfresser) ungefähr 6:1. Bei der Katze (einem Fleischfresser) 4:1 und beim Schaf (Pflanzenfresser) 24:1. Dieses Verhältnis liegt beim Hund bei 6:1. Also vergleichbar mit dem des Menschen. Und bis auf einige wenige Exemplare würde man den Menschen vermutlich auch nicht als reinen Fleischfressser einstufen.

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…weil sie immer Fleisch/ Beutetiere wählen würden, wenn sie könnten.

Zudem kommt häufig das Argument, dass den wildlebenden Hunde aus den zitierten Studien nichts anderes übrig bleibt, als Abfälle zu fressen. Das stimmt nur sehr bedingt. Denn wenn es nicht die passende ökologische Nische für sie wäre, wären sie nicht dort. Sie würden abwandern und es würden sich keine stabile Populationen bilden. Soweit ich weiß, sind die Populationen aber ziemlich stabil.

Wenn es ökologisch für sie mehr Sinn machen würde, zu jagen, dann würden sie jagen. Tun sie aber nicht bzw. nur für einen sehr geringen Prozentsatz ihrer Nahrungsmenge (max. 10%). Und das scheint bei den allermeisten Populationen auf der Welt der Fall zu sein. Und auch wenn es vielleicht in dem Lebensraum nicht genug Rehe oder was auch immer gibt, würde es sicherlich genügend Ratten geben, die gejagt werden könnten. Aber im Gegensatz zu Katzen tun Hunde das nur selten. Weil es nicht effektiv ist. Ray Coppinger hat in seinem aktuellen Buch „What is a dog?“ ein schönes Rechenbeispiel dazu, das ich hier nur in aller Kürze wiedergebe:

„Jeden Tag sitzen die Hunde an der Müllkippe von Mexico City und warten auf die Müllautos. Ihr Kosten (in Kalorien gerechnet), um in die Nähe des Futters zu kommen betragen nahezu null. Die Kosten für die Beschaffung des Futters sind nahezu null. Da das Futter bereits tot ist, wenn es ankommt, ist der Tötungsaufwand sowie das Verletzungsrisiko auch gleich null. In unserem Wolf/Elch-Beispiel (Anm. Red.: wird auch im Buch besprochen) will der Elch zum Beispiel nicht getötet und gefressen werden und verteidigt sich selbst, während das das weggeworfene Lammkotelett auf der Müllkippe eher weniger interessiert“

Coppinger & Coppinger „What is a dog?“ S. 90

Auch darüber, dass wildlebende Hunde vermutlich aufgrund der schlechten Ernährung eine kürzere Lebenspanne haben („vermutlich“ an dieser Stelle, weil es meines Wissens nach keine tatsächlichen Erhebungen darüber gibt), kann in diesem Zusammenhang nur spekuliert werden. Generell ist es so, dass die meisten Wildtiere (z.B. Zootiere) in menschlicher Obhut älter werden als in der Wildnis. Das ist völlig normal, weil die Lebensumstände natürlich deutlich einfacher sind. Mal ganz abgesehen von der medizinischen Versorgung. Welchen Anteil dabei die Ernährung hat, bleibt reine Spekulation – es spielen nämlich auch noch unzählige andere Faktoren eine Rolle.


Referenzen:

Coppinger & Coppinger. (2016). What is a dog?. The University of Chicago Press.

NATIONAL Research Council. (2006). Nutrient requirements of dogs and cats. National Academies Press.

Sind Hunde Fleischfresser?


Fleisch- oder Allesfresser? – Das ist hier die Frage!

Hunde sind ebenso an stärkehaltige Nahrung angepasst wie der Mensch

Beitragsbild:

„Mmmmm!“ von Ellie Attebery/Flickr unter CC BY 2.0

Wölfe:

https://pixabay.com/de/wölfe-schnee-raubtiere-wolf-winter-2058902/ unter CC0

Welpen:

https://www.pexels.com/de/foto/tier-braun-hunde-welpen-26128/ unter CC0

10 Kommentare

  1. Hallo Marie 🙂
    Interessante These: „Das stimmt nur sehr bedingt. Denn wenn es nicht die passende ökologische Nische für sie wäre, wären sie nicht dort“
    Das Problem ist doch, dass wir den Tieren den Lebensraum weg nehmen und es ihnen zudem noch leichter machen an Lebensmitteln ran zu kommen, indem wir ihnen unseren Müll quasi anbieten (von der Überpopulation in manchen Ländern brauchen wir gar nicht anfangen aber das ist auch nochmal ein anderes Problem.)- Dennoch hängt das alles miteinander zusammen.
    Meine Chila z.B. würde Jagen, wenn ich es nicht unterdrücken würde. Weißt du was darüber, wie lange unsere „Sofawölfe“ eigentlich existieren und wie diese zustande gekommen sind? Haben unsere Hunde eigentlich einen natürlichen Lebensraum? Sind sie von uns „erschaffen“ bzw gezüchtet oder eine Laune der Natur, die keinen wirklichen Platz gefunden hat außer in unserem Herzen?
    Liebe Grüße!

    • Die Tierarten, denen wir den Lebensraum wegnehmen, sterben aus. Das trifft auf Hunde nicht zu – wie du schon schreibst, gibt es da sogar in vielen Regionen der Welt eine Überpopulation. Das zeigt, wie sehr sie eben auf diese Nische angepasst sind.
      Und „Sofawölfe“, wie wir sie vor allem in den westlich industrialisierten Regionen kennen, machen maximal 30% der Welthundebevölkerung aus. Der komplette Rest lebt frei. D.h., die besorgen sich einen Großteil ihrer Nahrung selbst, pflanzen sich selbstständig fort und bestimmen ihren Tagesablauf selbstständig. Daraus kann man schließen, dass die Müllkippe der „natürlichere“ Lebensraum ist, als das Sofa 🙂
      Und nur weil ein Hund eine hohe Jagdmotivation hat, bedeutet das nicht, dass er auch tatsächlich einen Großteil seines Nahrungsbedarfes erjagen würde – in den Beobachtungen frei lebender Hunde sind das im Regelfall nicht mehr als 10-15% (inkl. Ratten, Mäusen, Insekten usw.). Jagen ist deutlich riskanter und kostet mehr Energie als „herumliegende“ Nahrung zu beschaffen. Dieser Aufwand lohnt sich im Regelfall nicht.

  2. Ich persönlich empfinde die Argumente nicht objektiv genug geschildert.
    Beispiel:” Das Verhältnis der Darmlänge zur Körperlänge beträgt beim Menschen (als unumstrittenen Allesfresser) ungefähr 6:1.”
    Das Wort “unumstritten” ist hier völlig fehl am Platz. Gibt es doch reichlich Untersuchungen und Thesen, dass der Mensch kein Allesfresser ist und tierische Produkte dem Menschen schaden (e.g. Entzündungswerte ankurbeln).
    Die Darmlänge eines Hundes mit einem Menschen zu vergleichen erscheint wenig hilfreich, da dies weder beim Menschen, noch beim Tier eindeutig belegt ist. Hier bitte gründlicher recherchieren, bevor Begriffe wie “unumstritten” in den Raum geworfen werden.

    • Hast Du wissenschaftliche Referenzen, die Deine Aussage belegen?
      Mal abgesehen davon: Selbst wenn es so wäre, dass tierische Produkte Entzündungsprozesse auslösen können, bleibt es unbestritten, dass der menschliche Körper ohne weiteres in der Lage dazu ist, tierisches Protein zu verwerten. Ergo ist er ein Allesfresser.
      Ob eine Ernährung mit tierischen Produkten mehr oder weniger gesund ist oder mehr oder weniger ethisch und ökologisch sinnvoll, ist dabei eine völlig andere Diskussion 🙂

      • Liebe Marie,
        auch Kühe fressen Fleischmehl- macht es sie nun auch zum Allesfresser oder steht es eher in Verdacht BSE auszulösen? Die Darmlängen von Hund und Mensch, sowie die Magensäure sind nicht identisch. Wie Du bereits erwähnst, machen 1,5% zwischen Schimpansen uns Mensch und Gurke zu Wasser einen riesen Unterschied. Hier wird massiv Äpfek mit Birnen verglichen. Nur weil Hund sowie auch Mensch in der Lage sind nicht artgerechte Nahrung zu tolerieren, aber nicht zwingend verwerten, heisst es nicht, dass es die richtige oder bessere Weise ist. Zudem gibt es sehr wohl Studien die belegen, dass du mit einer nicht artgerechten Ernährung du deinem Hund Lebensjahre raubst, sowie auch gesundheitliche Defizite angedeihen lässt. Alles Nachlesbar. Und natürlich können Hunde mit TROFU alt werden- ob sie gesund alt werden steht zur Diskussion (eigentlich ja nicht) Beste Grüsse Ps: bioverfügbarkeit ist ein stickwort- gilt auch für uns menschen

        • Hallo,
          magst du mir die Quelle nenne, die zeigt, dass eine „nicht artgerechte Ernährung“ Lebensjahre raubt? (An dieser Stelle: Die Untersuchung von Lippert und Sapy erfüllen weder irgendwelche wissenschafltrichen Kriterien, noch sagen sie irgendetwas zu „artgerechter Ernährung“ – dazu habe ich ein Reel auf Instagram).
          zum Thema Darmlänge: „Das Verhältnis von Körperlänge zur Darmlänge beträgt beim Menschen etwa 6:1“ (https://dasgastroenterologieportal.de/krankheiten/darm/) – Ebenso wie beim Hund. oder hast du da andere Informationen?

          Ansonsten freue ich mich über Quellenangaben zu den Aussagen 🙂

  3. Hi Leute!

    Diesem Artikel kann man nur zustimmen. Die 3 Argumente bezüglich der Wolfsabstammung, dem Verdauungssystems und dem Gebiss eines Hundes sind nicht abzustreiten.
    Wir persönlich barfen außerdem aus dem Grund, dass sich unsere Mia sichtlich mehr darüber freut als über Trofu oder Dosenfleisch. Und das ist doch schließlich auch ein sehr wichtiger Punkt, denn was wollen wir mehr als unseren Hund glücklich machen.

    Ich hab jetzt beide Beiträge zum Thema Hundeernährung gelesen und fand es irgendwie spannend die aufgekommenen Diskussionen darüber zu verfolgen :D.
    Sehr informativ jedenfalls. Danke dafür.
    LG Marie

  4. Hallo Marie,
    vielen Dank für deinen neuen Beitrag zu diesem Thema.
    Es gibt nicht viele Menschen, die dieses Thema wenig emotional und so sachlich veranschaulichen, wie du das tust.
    Ich hoffe auch in Zukunft noch mehr von dir dazu zu lesen.

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