Placebo-Effekt bei Hunden

Ein Placebo ist ein Medikament ohne Wirkstoff, welches demnach keine pharmakologische Wirkung haben kann. Trotzdem kann es nach Einnahme eines Placebos eine Verbesserung des Gesundheitszustandes geben – den sogenannten Placeboeffekt. Placeboeffekte können auch durch Scheinmaßnahmen beispielsweise in der Chirurgie, manuellen Therapie oder Psychotherapie erzielt werden.

Das Gegenteil des Placeboeffekts ist der Nocebo-Effekt. Dieser beschreibt das Auftreten unerwünschter Nebenwirkungen, obwohl kein Wirkstoff verbreicht wurde.

Welche abgefahrenen Auswirkungen der Placeboeffekt beim Menschen haben kann, siehst Du im folgenden Video:

Klassischen Konditionierung und Erwartungen

Dass es den Placebo-Effekt (bzw. den Nocebo-Effekt) auch bei Hunden gibt, hat Pavlov bereits 1927 beschrieben. Pavlovs Kollege Krylov verabreichte Hunden mehrere Tage hintereinander Morphininjektionen, welche unter anderem Übelkeit und verstärkten Speichelfluss auslösten. Diese Symptome zeigten sich auch, wenn einige Tage später eine Kochsalzlösung statt des Opiates gespritzt wurde. Die Hunde hatten also die Spritze mit Unwohlsein verknüpft. Klassische Konditionierung eben. Und genau diese ist auch ein wichtiger Mechanismus, der dem Placebo- bzw. Nocebo-Effekt zu Grunde liegt.

Bei Hunden (und anderen Tieren) kommt noch die Erwartungshaltung der Bezugsperson hinzu. Das bedeutet, dass sich aufgrund der Wirkerwartung das Verhalten des Menschen gegenüber seines Haustieres ändert – sie sind zum Beispiel erleichtert und damit weniger gestresst. Das kann natürlich Auswirkungen auf das Wohlbefinden des Hundes haben.

Der Einfluss von Wahrnehmungsverzerrungen

Aufgrund der Wirkerwartung kann auch eine Wahrnehmungsverzerrung des*der Halter*in eine Rolle spielen. Das bedeutet, dass die Bezugsperson eine Verbesserung der Symptome wahrnimmt, obwohl objektiv gar keine Verbesserung vorliegt. So wurde zum Beispiel 58 Hunde mit Lahmheit aufgrund Arthrose einer Scheinbehandlung unterzogen. Daraufhin sollten die Halter*innen und auch die Tierärzt*innen beurteilen, ob eine Verbesserung der Symptome auftrat. Zusätzlich wurden vor und nach der Behandlungen Daten mittels einer Trittplatte erhoben. Damit können objektiv Fehlbelastungen analysiert werden.

Fast 40% der Halter*innen und sogar fast 45% der Tierärzt*innen stellten nach der Placebo-Behandlung eine Verbesserung der Symptome fest. Die objektiven Messungen auf der Trittplatte ergaben jedoch ganz andere Werte: es konnten keine Veränderungen der Fehlbelastungen festgestellt werden – bei einigen Hunden gab es sogar eine Verschlechterung (Conzemius et al. 2012).

Während die Halter*innen im Verlauf der Scheinbehandlung eine Verbesserung feststellten (durchgehende Linie), konnte die objektive Trittplattenanalyse keinen Rückgang der Symptome feststellen (gestrichelte Linie).
(aus Conzemius & Evans 2012)

Placebo bei Feuerwerkangst und Trennungsstress

Wie die vorangegangene Studie zeigt, kann der Placebo-Effekt sehr weitreichend sein. So berichten Bezugspersonen von einer Verbesserung in 14 von 15 Messbereichen der Feuerwerkangst ihres Hundes, obwohl dieser „nur“ ein Placebo verabreicht bekam – dabei gab es keinen Unterschied zu der Testgruppe, die ein homöopathisches Mittel einnahmen (Cracknell & Mills 2008). Auch eine weitere Studie geht davon aus, dass die scheinbare Wirkung vieler „alternativer Heilmittel“ auf den Placeboeffekt zurückzuführen ist (Riemer 2020).

In einer Studie mit Hunden, die unter Trennungsstress leiden zeigten 51,3% der Tiere in der Placebogruppe eine Verbesserung der Symptome über den sechswöchigen Untersuchungszeitraum (Landsberg et al. 2008).

„Placebo by Proxy“ oder „Caregiver-Placebo“

Die Mechanismen, die zu einem Placeboeffekt bei Hunden führen, sind also vielschichtig und sehr weitreichend. Dieses Phänomen wird auch „Placebo by proxy“ oder „Caregiver-Placebo-Effekt“ genannt.

Damit können auch die beobachteten „Wirkungen“ von Homöopathika, Goldakupunktur und ähnlichen Behandlungen erklärt werden, für die tatsächliche Wirknachweise bisher fehlen.


Quellen:

Conzemius, M. G., & Evans, R. B. (2012). Caregiver placebo effect for dogs with lameness from osteoarthritis. Journal of the American Veterinary Medical Association241(10), 1314-1319.

Cracknell, N.R., Mills, D.S., 2008. A double-blind placebo-controlled study into the efficacy of a homeopathic remedy for fear of firework noises in the dog (Canis familiaris). Vet. J. 177, 80–88.

Landsberg, G. M., Melese, P., Sherman, B. L., Neilson, J. C., Zimmerman, A., & Clarke, T. P. (2008). Effectiveness of fluoxetine chewable tablets in the treatment of canine separation anxiety. Journal of veterinary behavior3(1), 12-19.

Riemer, S. (2020). Effectiveness of treatments for firework fears in dogs. Journal of veterinary behavior37, 61-70.


Placeboeffekt bei Silvesterangst und was wirklich hilft:

2 Kommentare

  1. Guten Tag,
    ich bin neu hier auf Ihrer Seite und dies der erste Blogpost den ich lese. Grundsätzlich finde ich Thema des Blogs toll und begrüße den Grundgedanken, dass Wissenschaft rund um den Hund für die öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Ich finde die Überschrift und Formulierungen allerdings sehr irreführend, denn Sie suggerieren hier dass es einen Placebo im Hund gibt. („Die Mechanismen, die zu einem Placeboeffekt bei Hunden führen, sind also vielschichtig“).
    Aber was genau ist die Evidenz dafür? Das Argument dass Konditionierung einen Rolle im Placebo Effekt spielen kann, sollte nicht bedeuten dass man diese gleichsetzen kann. Hunde können konditioniert werden – keine Frage. Aber der Placebo Effekt scheint mir darüber hinauszugehen. Das „Antizipieren“, welches den Placebo Effekt auslöst erfolgt im Menschen doch auf einer sehr abstrakten Ebene (ich nehme Medizin/mache eine Therapie egal in welcher Form, also wird mir diese helfen), während Konditionierung im klassischen Sinn erst einmal von einem spezifischen Reiz abhängt.
    Ich habe die Quellenartikel nicht gelesen, aber es ist auch nicht ersichtlich inwiefern es für diese Frage informativ ist, dass Homöopatische Mittel nicht über einen Placebo-effekt hinaus wirken. Die Frage ist wo der Placebo-effekt entsteht: im Menschen oder im Hund?
    Der Punkt, dass es einen „Caregiver-Placebo Effekt“ gibt, wenn ich richtig verstehe also das Verhalten des Menschen aufgrund von Antizipation sich verändert und sich das wiederum auf den Hund auswirken kann, ist doch genau das Gegenteil von Placebo. Denn die Veränderung im Hund beruht eben nicht auf einem intern generierten Glauben, sondern auf konkreten Impulsen in der Welt (Verhalten des Menschen).
    Die Schlussfolgerung sollte also sein: Menschen erfahren einen Placeboeffekt, und dies wirkt sich auf Hunde aus, aber nicht dass Hunde selbst dem Placeboeffekt unterliegen (zumindest nicht über reine Konditionierung hinaus).
    Würden Sie dem so zustimmen?
    Beste Grüße

    • Klassische Konditionierung ist eine der wichtigesten Grundlagen beim PLacebo-Effekt. Sowohl beim Hund, als auch beim Menschen. Dazu kommt noch wie beschrieben die Erwartung und Wahrnehmungsverzerrung des Besitzers- Zusammen ergibt das den „Caregiver-Placebo-Effekt“ bzw. „Placebo-by-Proxy“.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert