Feuerwerk macht vielen Hunden zu schaffen. Kurz vor Silvester häufen sich dann die Ratschläge, wie man seinem vierbeinigen Begleiter die Zeit erträglicher gestalten kann.
Es gibt unzählige Tipps, allerdings wenige Studien darüber, wie effektiv die verschiedenen Methoden beziehungsweise Mittel sein können.
Stefanie Riemer von der HundeUni hat nun die Effektivität verschiedener Maßnahmen untersucht. Mithilfe eines Fragebogens wurde ermittelt, wie häufig welche Methoden eingesetzt werden und welche Erfolge aus Sicht der Besitzer damit erzielt werden können.
Insgesamt wurden 1225 Antworten ausgewertet. Davon zeigten mehr als die Hälfte der Hunde eine ernstzunehmende Angst vor Feuerwerk.
In der folgenden Tabelle ist aufgelistet, wie viele Teilnehmer*innen jeweils welche Gegenmaßnahme ergriffen haben:
Gegenkonditionierung | 694 |
Entspannungstraining | 433 |
Medikamente | 202 |
Geräusch-CDs | 377 |
Druckwesten | 300 |
Bachblüten | 281 |
Homöopathische Mittel | 250 |
Ätherische Öle | 183 |
Pheromone | 316 |
Pflanzliche Mittel | 282 |
Nahrungszusätze | 211 |
Hier siehst du, wie viel Prozent der Besitzer mit der entsprechenden Methode einen positiven Effekt beobachten konnten:
Verschreibungspflichtige Medikamente
Bei den verschreibungspflichtigen Medikamenten hing die Wirkquote vor allem von den verwendeten Wirkstoffen ab. Am häufigsten wurde Alprazolam verschrieben, wonach in 90% der Fälle auch eine Besserung der Feuerwerksangst beobachtet werden konnte. Bei Dexmedetomidin, Diazepam und Trazodon wurde hingegen nur eine Wirkrate zwischen 50 und 75% berichtet. Die anderen Medikamente wurden unter den befragten Besitzern zu selten verschrieben um eine klare Aussage über die Effektivität treffen zu können.
An dieser Stelle sei auch nochmal darauf hingewiesen, dass Acepromazin NICHT als Mittel gegen Silvesterangst taugt. Der Tierarzt Ralph Rückert schreibt auf seinem Blog dazu:
Geben Sie Ihrem Hund auf gar keinen Fall Acepromazin! Dieses Phenothiazin-Derivat ist ein Neuroleptikum und Sedativum und wird unter den Handelsnamen Vetranquil, Sedalin, Calmivet und Prequillan vertrieben. Acepromazin wurde früher weit verbreitet an Silvester eingesetzt und hat dabei von außen betrachtet eine gute Wirksamkeit gezeigt, sprich die Hunde waren richtig platt. Seit geraumer Zeit wissen wir aber, dass das Geräuschempfinden und die damit verbundene Angst der Patienten durch den Wirkstoff nicht wirklich eingeschränkt werden. Der Hund hat also keinen Deut weniger Angst als sonst, er ist nur körperlich unfähig zu erkennbaren Reaktionen. Das ist natürlich eine ganz fiese Sache, also Finger weg!
https://www.tierarzt-rueckert.de/blog/details.php?Kunde=1489&Modul=3&ID=20203
Präventives Training bei Angst vor Feuerwerk
Vor allem eine Gegenkonditionierung – also das Verknüpfen von Feuerwerk mit angenehmen Reizen wie zum Beispiel Futter oder Spiel – stellte sich als sehr effektiv heraus. Mehr als 2/3 der befragten Halter konnten hierdurch eine Besserung feststellen.
Ebenso hoch war auch die berichtete Erfolgsrate beim Entspannungstraining. Hierbei soll der Hund zunächst in einer ruhigen Situation entspannen. Dies kann auch unterstützend durch Streicheln und leichte Massagen erreicht werden. Wenn der Hund völlig entspannt ist, wird die Situation mit einem Signal, zum Beispiel einem Wort oder einem Ton, verknüpft. Nach erfolgreicher Konditionierung kann dieses Signal dazu beitragen, dass der Hund auch in stressigen Situationen leichter entspannen kann. Selbstverständlich muss das Training sehr kleinschrittig erfolgen.
Wichtig dabei ist, dass sich auch vorbeugendes Training lohnt! In einer zweiten Studie konnte Stefanie Riemer zeigen, dass Hunde, mit denen bereits im Welpenalter gegen Geräuschängste trainiert wurde, kaum Angst vor Feuerwerken ausbilden. Aber auch im Erwachsenenalter führte präventives Training – also bevor die Feuerwerksangst tatsächlich eintritt – zu deutlich reduzierten Angstreaktionen. Hunde ohne vorheriges Training litten hingegen häufig unter starker Feuerwerksangst.
Druckwesten und Geräusch-CDs
Nur 44% der Besitzer, deren Hunde ein Thundershirt oder ähnliche Produkte trugen, konnten positive Auswirkungen in den Reaktionen auf Feuerwerk beobachten. Dabei ist unklar, inwieweit sich diese Effektivtätsrate durch einen möglichen Placeboeffekt erklären lässt (siehe auch weiter unten) oder ob es darüber hinaus tatsächlich eine Wirkung gibt.
Auch die beschriebene Effektivität von CDs mit Feuerwerksgeräuschen ist mit 55% relativ gering.
Alternative Methoden und der Placebo-Effekt
Sämtliche „alternative Methoden“ zeigten gerade einmal eine Effektivitätsrate von 27-35%. Das ist auch der ungefähre Wert, den man aufgrund des Placebo-Effekts erwarten würde (Literatur zum Placeboeffekt bei Tieren findest Du weiter unten). Homöopathische Mittel, Nahrungsergänzungen (z.B. Zylkene, Tryptophan), ätherische Öle, pflanzliche Mittel, pheromonhaltige Mittel (z.B. Adaptil) und Bachblüten konnten also keine Wirkung erzielen, die über den Placeboeffekt hinaus geht. Vermutlich spielt hier der sogenannte „Caregiver Effekt“ (auch Placebo by proxy genannt) eine wichtige Rolle.
Fazit
Im Idealfall trainiert man mit seinem Hund rechtzeitig und präventiv gegen Geräuschangst. Dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Angst vor Feuerwerk ausprägt recht gering. Mit dem Training sollte man mehrere Wochen, besser noch Monate vor Silvester beginnen.
Wenn ein Hund bereits Angst vor Feuerwerk zeigt, stellen
Gegenkonditionierung und konditionierte Entspannung die geeignetsten
Trainingsmethoden dar, um eine Verbesserung zu erreichen. Auch die Gabe von
psychopharmakologisch wirkenden Medikamenten kann eine wirksame Therapie sein. Hier
sollte man sich vom Tierarzt des Vertrauens beraten lassen.
Die Anwendung einer Druckweste (z.B. Thundershirt) sowie der Einsatz von CDs
mit Feuerwerksgeräuschen zeigen durchwachsene Ergebnisse. Sie sollte man nicht
einzeln, sondern in Kombination mit den genannten Trainingsmethoden einsetzen.
Sämtliches „alternativen“ Methoden zeigen keine Wirkung, die über einen erwarteten Placeboeffekt hinaus geht. Weder Bachblüten, Homöopathika, Pheromone, ätherische Öle noch Futterzusätze, wie zum Beispiel Zylkene, konnten als effektive Maßnahmen gegen Silvesterangst bestätigt werden.
Mehr Infos zum Thema Ängstlichkeit in meinem Buch:
Referenzen:
Riemer, S. (2020). Effectiveness of treatments for firework fears in dogs. Journal of veterinary behavior, 37, 61-70.
Riemer, S. (2019). Not a one-way road–severity, progression and prevention of firework fears in dogs. bioRxiv, 654301.
Studien, in denen sich ein Placeboeffekt bei Hunden zeigt:
Gruen, M.E., Dorman, D.C., Lascelles, B.D.X., 2017. Caregiver Placebo Effect in Analgesic Clinical Trials for Painful Cats with Naturally-Occurring Degenerative Joint Disease. Vet. Rec. 180, 473.
Korpivaara, M., Laapas, K., Huhtinen, M., Schöning, B., Overall, K., 2017. Dexmedetomidine oromucosal gel for noise-associated acute anxiety and fear in dogs—a randomised, double-blind, placebo-controlled clinical study. Vet. Rec. 180, 356.
Cracknell, N.R., Mills, D.S., 2008. A double-blind placebo-controlled study into the efficacy of a homeopathic remedy for fear of firework noises in the dog (Canis familiaris). Vet. J. 177, 80–88.
Landsberg, G., Beck, A., Lopez, A., Deniaud, M., Araujo, J., Milgram, N., 2015a. Dog- appeasing pheromone collars reduce sound-induced fear and anxiety in beagle dogs: a placebo-controlled study. Vet. Rec. 177, 260.
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Wir haben auch alles versucht, die Angst ist aber immer geblieben. Nun versuchen wir immer aufs Land zu fahren, wo es ruhiger ist;)
Moin moin aus dem hohen Norden. Danke für den Beitrag! Grossartig. In der Humanpsychologie ist hinlänglich bekannt, dass neben der Medikation und Therapie vor allem auch die Beziehung zum Therapeuten eine massgebliche Rolle für den Erfolg von Behandlungen der Angstproblematiken spielt. Es wäre interessant zu wissen, ob die weniger ängstlichen Hunde bzw. die mit einer Abnahme von Ängstlichkeit durch die gewählte Massnahme über eine andere Bindungsqualität verfügen als diejenigen, bei denen Massnahmen keine Wirkungen hatten. Ich sehe hier einen wichtigen möglichen Störfaktor. Vielleicht gibt es ja bald mehr Studien dazu. Würde mich freuen, wenn die Bindungsqualität berücksichtigt würde. Dennoch natürlich spannend und interessant!
Liebe Grüsse Susie Last
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Hallo Frau Dr. Nitzschner,
ich finde Ihre Beiträge stets sehr informativ. Diese Untersuchung allerdings ist aus folgenden Gründen für mich nicht sehr aussagekräftig.
Ich habe in meinem Leben bereits sehr viele Hunde gehabt. Drei von Ihnen zeigten oder zeigen Angst vor Sylvesterfeuerwerk. Das ist aber auch die einzige Gemeinsamkeit, die die drei Hunde in Bezug auf dieses Verhalten hatten. Meine Pudelmischlingshündin zeigte erst im fortgeschrittenen Alter mit 7 oder 8 Jahren Angstreaktionen zu Sylvester. Vorher war sie stets sehr entspannt gewesen. Mein Großpudelrüde reagierte auch erst im Erwachsenenalter recht aggressiv, besonders auf Knaller, war aber nachher schnell wieder entspannt. Und meine Mischlingshündin aus dem Tierschutz reagiert so panisch, dass sie über Sylvester drei Tage im Küchenschrank hinter den Kartoffeln verbracht und in der Zeit auch vor Panik nicht gepinkelt und gekackt hat. Bei ihr habe ich sämtliche oben beschriebene Mittel (außer Psychopharmaka) ausprobiert, nichts hat geholfen. Sie ist bereits am 28.12. durch den Wind, wenn die Feuerwerkskörper verkauft und bereits die ersten gezündet werden und bleibt völlig verängstigt bis in den Januar hinein, weil ja leider auch noch später herumgeballert wird. Das ist auch der Grund, warum ich bei ihr vor Psychopharmaka zurückgeschreckt bin. Sie hätte diese über einen ziemlich langen Zeitraum nehmen müssen. Mit meinem Großpudelrüden bin ich einfach zwischen 23.00 und 1.00 Uhr zu Sylvester in den Wald gegangen, dann war alles ok. Mit meiner Pudelmischlingshündin habe ich zusammen auf dem Sofa gelegen und gekuschelt ohne irgend welche Entspannungsübungen, und auch das hat beruhigende Wirkung gezeigt. Die beiden letzt genannten hatten aber lange nicht so eine Panik wie meine Mischlingshündin, die ich mit ca. 5 Jahren aus dem Tierschutz übernommen habe. Das Einzige, was bei ihr hilft ist Vermeidung. So dass wir in den letzten drei Jahren über Sylvester nach Frankreich in die Berge gefahren sind, wo Sylvesterknallerei verboten ist. Was ich damit sagen will, entscheidend für die Wirksamkeit eines Mittels ist auch der Grad der Angst und natürlich auch, zu welchem Typus der Hund gehört. Die Mischlingshündin ist eine extreme Hysterikern mit wenig Impulskontrolle, die erst durch jahrelanges zähes Training aufgebaut worden ist. Meine beiden anderen Angsthasen kamen als Welpen zu mir, hatten großes Grundvertrauen und gehörten zu den überlegten abgeklärten Typen.
Deshalb ist mir in diese Untersuchung einfach zu wenig spezifiziert.
Viele Grüße
Susanne Böttcher
Guten Tag Susanne Böttcher,
ich finde Ihren Kommentar sehr hilfreich. Meine Tierschutzhündin ist jetzt das 4. Jahr bei mir (kam als ca. 1 Jährige aus Spanien). Die Geräuscheangst speziell um Sylvester wird leider immer stärker. Ich arbeite dieses Jahr nochmal kombiniert mit TTouch und Gegenkonditionierung (hatte diese Kombi noch nicht versucht). Ansonsten geht es ab 2020 auch nach Frankreich (wurde mir von Hundehaltern auch empfohlen). Beste Grüße Karin Locht
Schade, dass die Gabe von Alkohol in Form von Eierlikör nicht mit in die Betrachtung einbezogen wurde.
Ich habe für Ishara das RelaxoDog laufen lassen und sie hat geschlafen!!! Für uns 100 % positiv.
Relaxopet wirkt höchstwahrscheinlich auch aufgrund der parallel laufenden konditionierten Entspannung. Dass das Gerät an sich irgendeine Wirkung hat, ist unwahrscheinlich
https://hundeprofil.de/relaxopet-wirklich-wirksam-oder-marketinggedoens/