Diese Situation kennen sicherlich viele: Man kommt nach Hause und stellt nach Betreten der Wohnung fest, dass Bello verbotenerweise auf dem Bett gelegen hat, der Inhalt des Mülleimers im Wohnzimmer verteilt ist oder der Teppich angenagt wurde.
Meine beiden Hunde zeigen in solchen Situation sehr unterschiedliches Verhalten. Während Katjes, die Galgo-Hündin, so tut, als hätte sie mit dem ganzen überhaupt nichts zu tun, kommt die kleine Milou unterwürfig angekrochen. Ist sie sich ihrer Schuld bewusst?
„Schlechtes Gewissen“ in Perfektion
Auch wenn Milou das mit dem „schlechten Gewissen“ schon ziemlich gut drauf hat, kommt ihre Performance noch lange nicht an Denver ran.
Denver, die dicke Labradordame, wird von ihrem Herrchen gefilmt während dieser sie mit der Schandtat konfrontiert – die gefressenen Katzenleckerlies. Mit herzzerreißender Musik unterlegt, zeigt Denver eindrücklich, wie ein Hund mit Gewissensbissen aussehen kann. Wer könnte ihr da noch böse sein?
„Schlechtes Gewissen“ als Strategie?
Laut einer Umfrage glauben 74% der Hundebesitzer:innen, dass ihre Vierbeiner Schuldgefühle zeigen können1. Wissenschaftlich betrachtet ist es allerdings nicht so einfach. Es kann auch einfach sein, dass der Hund eine bestimmte Situation (in Milous Fall zum Beispiel die zerfledderten Taschentücher auf dem Fußboden) mit Geschimpfe verknüpft hat.
Tatsächlich wurde genau das bereits in den 70ger Jahren untersucht2. In dieser Studie zerfetzte der Besitzer selbst das Papier und ließ dann den Hund mit den Papierfetzen allein. Als er zurück kam, zeigte der Hund das gleiche „schuldbewusste“ Verhalten wie üblich, wenn er das Papier tatsächlich zerpflückt hat – obwohl er die Missetat ja nicht selbst begangen hat. Also hat er vermutlich den „Beweis“ (zerrupftes Papier) und nicht sein eigentliches Verhalten mit dem Schimpfen assoziiert.
Vielleicht doch kein „schlechtes Gewissen“?
Auch drei aktuellere Studien konnten keine eindeutigen Hinweise darauf finden, dass Hunden von Gewissensbissen geplagt werden, wenn sie etwas falsch gemacht haben. In allen Studien wurde dem Hund zunächst verboten, ein Stückchen Futter zu nehmen. Dann verlässt die Bezugsperson den Raum.
In der ersten Studie wird einem Teil der Besitzer:innen dann eine falsche Information über das Verhalten ihres Hundes gegeben – also es wurde gesagt, der Hund hätte das Futter genommen, obwohl es nicht stimmte oder andersherum. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass das „schuldbewusste Verhalten“ des Hundes bei der Rückkehr der Bezugsperson eher davon abhängt, was der Mensch annimmt und nicht davon, ob der Hund das Verbot wirklich übertreten hat3.
In zwei weiteren Studien sollte die Bezugsperson bei der Rückkehr aus dem Verhalten des Hundes schließen, ob er das Futter genommen hat oder nicht. In beiden Studien lagen die richtigen Einschätzungen nicht über dem Zufallsniveau.4, 5
Die wissenschaftlichen Betrachtungen legen also eher nahe, dass die vermeintlichen „Gewissensbisse“ eines Hundes nicht aus einer inneren Einsicht resultieren, sondern auf äußeren Umständen beruhen. Da die Bezugsperson weniger schimpft, wenn der Hund sich „schuldbewusst“ verhält, könnte dieses Verhalten eine erlernte Reaktion sein, um Herrchen oder Frauchen zu besänftigen.
Referenzen:
2 Vollmer, P. J. (1977). Do mischievous dogs reveal their“ guilt“?. Veterinary medicine, small animal clinician: VM, SAC, 72(6), 1002-1005.
3 Horowitz, A. (2009). Disambiguating the “guilty look”: Salient prompts to a familiar dog behaviour. Behavioural processes, 81(3), 447-452.
4 Hecht, J., Miklósi, Á., & Gácsi, M. (2012). Behavioral assessment and owner perceptions of behaviors associated with guilt in dogs. Applied Animal Behaviour Science, 139(1), 134-142.
Es gibt aber etwas das mich wundert. Wir haben es nie für nötig gehalten unseren Welpen auszuschimpfen, wenn er in die Wohnung gemacht hat, jedoch als er eines Tages Durchfall hatte, hat er sich in eine Ecke verkrochen und den Blick andauernd gesenkt, als er sein Geschäft auf dem Boden verrichtete. Da er sowieso nicht mehr lange in diesen Zimmern bleiben konnte haben wir ihm versichert, dass alles gut ist. Jedoch hat er immer noch diese Reaktion gezeigt. War das wirklich eine Taktik um mich zu besänftigen?
Naja das ist ein wackeliges Thema wenn man mich fragt. Meine Frau sieht dem Hund früh gleich an, wenn irgendwas passiert ist. Dabei schimpfen wir nie weil das sinnlos ist da die Assoziation zw. Verhalten und „Ärger“ nicht hergestellt werden kann. Letztens hatte sie ins Hundekissen gekotzt – hat meine Frau bevor sie den Hund sah schon gewusst, dass da was Faul war.
Ich meine klar – logischerweise kann man eigentlich nur davon ausgehen, dass diese „Schuldgefühle“ eher eine Reaktion auf den zu erwartenden Ärger sind. Bei dem Video oben sieht man auch deutlich Stress und Konfliktsignale.
Auch wenn der Hund eben durch seine mangelnden kognitiven Fähigkeiten eine Reflektion seiner Handlung nicht vornehmen und somit auch keine Schuld zeigen kann ist interessant, wie z.B. in dem Labbivideo auch Ärger erwartet werden kann obwohl der Halter einen eher entspannten Eindruck macht. Zumindest wirkt der Halter nicht so gestresst damit der Hund so stark ausgeprägte Stress und Konfliktsignale zeigen müsste. Es wirkt übertrieben beim Hund. Und das ist ggf auch was wir als „Schuldig“ interpretieren – der Situation völlig übertriebene Konflikt- und Stressignale.
Ja, das vermute ich auch. Und die „Strategie“ geht ja auch auf – als Mensch ist man sofort besänftigt 😉