Ist Persönlichkeit rasseabhängig?

Inwiefern die Persönlichkeit eines Hundes von seiner Rasse abhängt, wurde aufgrund einer neuen Studie in den letzten Tagen viel diskutiert. Die Autor:innen der Studie kommen zu dem Schluss, dass äußere Merkmale, wie zum Beispiel Größe, Felllänge oder Ohrenform stärker genetisch verankert sind, als die verschiedenen Persönlichkeitsmerkmale.

Mal abgesehen davon, dass die Schlussfolgerungen gar nicht so bahnbrechend neu sind, muss man diese Studie natürlich in die bestehende Literatur zum Thema einordnen.

Persönlichkeit und Gene

2019 haben MacLean und Kolleg:innen umfassend den genetischen Einfluss auf die Rasseunterschiede in der Persönlichkeit untersucht. Die Grundlage bildeten hier die Daten aus dem C-BARQ-Fragebogen von 17.000 Hunden aus 101 verschiedenen Rassen. Zusätzlich konnten die Wissenschaftler genetische Daten von 5.697 Hunden sammeln. Mit diesem umfassenden Datensatz wurden nun Verhaltensunterschiede zwischen den Rassen analysiert und zusätzlich erfasst, wie die genetischen Unterschiede mit den beobachteten Verhaltensunterschieden zusammenhängen. Hier zeigte sich, dass es einen genetischen Einfluss auf die Persönlichkeitsunterschiede zwischen den Rassen gibt. Die höchsten Erblichkeitswerte entfallen in dieser Studie auf die Eigenschaften Trainierbarkeit, Aggression gegenüber fremden Personen, Jagdverhalten und Bindungsverhalten. Die Forscher vermuten, dass vor allem diese Eigenschaften bei den verschiedenen Rassen unterschiedlich selektiert wurden.

Dabei gibt es im Regelfall nicht ein Gen, das eine Eigenschaft bestimmt, sondern eine Vielzahl von Genen, die einen Einfluss auf bestimmte Verhaltensweisen haben. Aus diesem Grund ist es auch deutlich schwieriger auf bestimmte Verhaltensweisen zu selektieren als auf verschiedene äußere Merkmale wie zum Beispiel Größe oder Felllänge.

Gleiche Rasse – gleicher Typ?

Neben Vergleichsstudien, die verschiedene Rassen betrachten, gibt es auch Untersuchungen, die sich auf die Erblichkeit bestimmter Verhaltensmerkmale innerhalb einer Rassen fokussieren. Dabei gibt es je nach betrachteter Rasse und untersuchtem Merkmal erhebliche Unterschiede in den Heritabilitätswerten.

Da die Ergebnisse in den einzelnen Studien so extrem schwanken, ist es sinnvoll, sich hier eine sogenannte Meta-Studie anzuschauen. Meta-Studien fassen die Daten vieler Studien zusammen und analysieren sie. Damit ist die Aussagekraft dieser Ergebnisse stark erhöht. Eine eben solche Studie hat die Ergebnisse verschiedener Untersuchungen zur Erblichkeit einer ganze Reihe Verhaltensmerkmale bei unterschiedlichen Rassen ausgewertet. Dabei wurden insgesamt 48 Publikationen einbezogen (Hradecká et al. 2015). Die Analyse zeigt, dass die Heritabilität im Allgemeinen nur zwischen 9% (für Verspieltheit) und 15% (für Jagdverhalten und Umweltsicherheit) beträgt.

Das heißt, mindestens 85% der Variation des Verhaltens innerhalb einer Rasse sind umweltbedingt.

Arbeits- vs. Showlinie

Dass die Selektion auf Verhaltens- und Persönlichkeitsmerkmale auch innerhalb einer Rasse deutliche Auswirkungen haben kann, zeigt sich in den Unterschieden zwischen Arbeits-und Showlinien. Während bei den Arbeitslinien vor allem auf die Arbeitstauglichkeit Wert gelegt wird und das Aussehen zweitrangig ist, spielt bei den Showlinien das äußere Erscheinungsbild eine größere Rolle. Generell sind Hunde aus Showlinien eher ängstlich, aber weniger aggressiv und neugierig als ihre Rassegenossen aus Arbeitslinien (Svartberg 2006).

Fadel und Kollegen (2016) verglichen Border Collies und Labradore aus jeweils Show-und Arbeitslinie. Sie fanden heraus, dass Border Collies aus der Arbeitslinie eine höhere Reaktivität auf neue Dinge und eine niedrigere Aggressionsschwelle als Arbeits-Labradore zeigten. Zwischen den Showlinien der beiden Rassen gab es allerdings keine Unterschiede. Das lässt vermuten, dass es in der Zucht von Showlinien weniger Diversität in den ursprünglichen Verhaltensweisen einer Rasse gibt. Außerdem weisen Labrador Retriever aus der Arbeitslinie eine höhere Trainierbarkeit auf als ihre Artgenossen im Showring (Lofgren et al. 2019). Auch in einer Untersuchung mit Springer Spaniel wurde ein Unterschied zwischen den Zuchtlinien gefunden. Erwartungsgemäß wiesen auch dabei die Arbeitslinien eine höhere Trainierbarkeit auf als die Showlinien (Serpell & Hsu).

 Abb.1: Vergleich der Trainierbarkeit von Springer Spaniel aus Show-und Arbeitlinie. Dabei schneiden die Individuen aus der Arbeitslinie mit höheren Werten ab als die Rassevertreter aus der Showlinie (nach Serpell & Hsu 2005).

Große Schwankungen innerhalb einer Rasse!

Generell kann man sagen, dass die Zuchtlinie durchaus einen Einfluss auf die Ausprägung der Persönlichkeit haben kann. Man sollte aber auch beachten, dass die Varianz innerhalb einer Rasse so hoch ist, dass Rasseunterschiede allein längst nicht alle Persönlichkeitsunterschiede erklären können. In Abbildung 2 sind beispielsweise die Ergebnisse der Dimension Ängstlichkeit nach dem Dog Mentality Assessment von Collies und Labrador Retriever zu sehen. Collies schnitten dabei als ängstlichste Rasse ab, während Labradore die wenigsten Anzeichen von Angst zeigten. Wie aus der Grafik ersichtlich, gibt es aber dennoch an praktisch jedem Punkt Überschneidungen zwischen den Rassen. Es gibt also auch einzelne Labradore, die sich ängstlicher verhalten als die meisten Collies im Test. Alle anderen Rassen lagen irgendwo dazwischen – selbstverständlich mit noch mehr Überschneidungspunkten.

Abb. 2: Verteilung der Ängstlichkeit bei Collies und Labrador Retrievern nach dem Dog Mentality Assessment. Je weiter links die Werte liegen, umso weniger ängstlich ist das Individuum. Collies schnitten als ängstlichste Rasse ab, Labrador Retriever als am wenigsten ängstlich. Dennoch gibt es an praktisch jedem Punkt Überschneidungen (nach Svartberg 2006).

Die Relevanz der Umwelt

Die Rasse – und besonders die Zuchtlinie – hat einen Einfluss auf einzelne Persönlichkeitsmerkmale eines Hundes. Allerdings handelt es sich bei den gefundenen Unterschieden immer nur um Wahrscheinlichkeiten. Wie stark die gemessenen Unterschiede ausfallen, hängt unter anderem von der beobachteten Population als auch von den gewählten Messmethoden ab.

Also auch wenn es einen Einfluss der Rasse gibt, kann man im Umkehrschluss nicht anhand der Rasse eines Hundes zuverlässige Aussagen über seine Persönlichkeit treffen. Neben der Rasse bzw. Zuchtlinie haben auch andere biologische Faktoren einen Einfluss – aber vor allem spielen auch Umweltfaktoren und die Erfahrungen, die ein Hund während seines Lebens macht, eine enorme Rolle bei der Ausprägung seiner Persönlichkeit. Man könnte sagen, dass ein Verhaltensmuster zu 100% genetisch bedingt und gleichzeitig zu 100% durch Umwelteinflüsse geprägt ist.

Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, aber er kann noch weit rollen“.


Welche weiteren Faktoren die Persönlichkeit eines Hunde beeinflussen, findest du hier:

Referenzen

Fadel, F. R., Driscoll, P., Pilot, M., Wright, H., Zulch, H., & Mills, D. (2016). Differences in trait impulsivity indicate diversification of dog breeds into working and show lines. Scientific Reports6(1), 1-10.

Hradecká, L., Bartoš, L., Svobodová, I., & Sales, J. (2015). Heritability of behavioural traits in domestic dogs: A meta-analysis. Applied Animal Behaviour Science170, 1-13.

Lofgren, S. E., Wiener, P., Blott, S. C., Sanchez-Molano, E., Woolliams, J. A., Clements, D. N., & Haskell, M. J. (2014). Management and personality in Labrador Retriever dogs. Applied Animal Behaviour Science156, 44-53.

MacLean, E. L., Snyder-Mackler, N., VonHoldt, B. M., & Serpell, J. A. (2019). Highly heritable and functionally relevant breed differences in dog behaviour. Proceedings of the Royal Society B286(1912), 20190716.

Serpell, J. A., & Hsu, Y. A. (2005). Effects of breed, sex, and neuter status on trainability in dogs. Anthrozoös18(3), 196-207.

Svartberg, K. (2006). Breed-typical behaviour in dogs—historical remnants or recent constructs?. Applied Animal Behaviour Science96(3-4), 293-313.

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