Konditionierst du noch oder kommunizierst du schon?

Die Überschrift ist bewusst so provokativ gewählt. Denn schaut man sich in der Hundewelt um, könnte man meinen, man müsse sich für die eine oder andere Seite entscheiden.

Konditionierung vs. Soziale Interaktion?

Immer wieder hört man da solche Sätze wie „Ich erziehe meinen Hund, indem ich mit ihm kommuniziere“ oder „Ich lehne Konditionierung im Hundetraining ab“. Diesen Aussagen liegt die Annahme zu Grunde, dass „Kommunikation“ etwas vermeintlich „Natürliches“ sei und Konditionierung etwas „Künstliches“ und findet nur unter Laborbedingungen statt. Konditionierung wird auch häufig mit Dressur gleichgesetzt.

Als prototypisches Beispiel wird dabei häufig das Clickertraining und die Gabe von Leckerlies herangezogen, welches häufig nicht als soziale Interaktion betrachtet wird. Außerdem wird davon ausgegangen, dass bei einer „echten“ sozialen Interaktion keine Konditionierung stattfindet.

Beide Annahmen sind falsch. Auch wenn ich meinem Hund Leckerli gebe, wenn er ein erwünschtes Verhalten zeigt, heißt es ja nicht, dass ich nicht auch soziale Informationen transportiere – zum Beispiel indem ich ihn zusätzlich verbal lobe oder aber auch nur anlächle. Und diese sozialen Gesten können als starke Verstärker im Sinne der Konditionierung wirken (siehe „Die Macht der sozialen Verstärker“). Selbst wenn ich einen Clicker benutze, werden soziale Informationen anhand von Gesichtsausdruck, Körperspannung usw. übermittelt. Und Hunde sind Meister darin, diese Signale zu lesen. Somit ist auch die Annahme, man könne mit dem Clicker „emotionslos“ bestätigen, ziemlicher Humbug.

Man kann nicht nicht konditionieren

Selbstverständlich kann eine soziale Interaktion nicht nur als Verstärker, sondern auch als Bestrafung wirken. Wenn ich beispielsweise mein Körperspannung erhöhe und mein Gewicht Richtung Hund verlagere, empfinden das viele Hunde als bedrohlich. Somit kann diese soziale Interaktion eine positive Strafe darstellen.

Andersherum finden natürlich innerhalb einer jeden sozialen/kommunikativen Interaktion Prozesse der klassischen sowie operanten Konditionierung statt. Also auch wenn Trainer*innen von „Gesprächen“ mit dem Hund oder ähnlichem sprechen, klingt das zwar irgendwie total fancy, beruht aber letztendlich auch auf Konditionierungsprozessen. Und das ist auch gar nicht schlimm. Angelehnt an Paul Watzlawicks Axiom „Man kann nicht nicht kommunizieren“, könnte man auch sagen „Man kann nicht nicht konditionieren“.

Alles ist Konditionierung“?

Obwohl in jeder sozialen Interaktion auch grundlegende Aspekte der klassischen und operanten Konditionierung enthalten sind, heißt das im Umkehrschluss nicht, dass sich alles auf Konditionierungsprozesse herunterbrechen lässt – es gibt durchaus kognitive Prozesse, die darüber hinausgehen.

Beispielsweise gibt es beim sozialen Lernen (also ein Individuum lernt etwas durch Beobachtung eines anderen Individuums) Aspekte, die nicht allein durch Konditionierung erklärbar sind.

Fazit

Die Dichotomie „entweder Kommunikation oder Konditionierung“ lässt sich im Alltag nicht aufrechterhalten. Ganz im Gegenteil: Beide Prozesse finden praktisch immer parallel statt. Sobald ich mit meinem Hund interagiere, werden soziale Informationen übermittelt – und abhängig davon, ob der Hund diese Informationen angenehm oder unangenehm empfindet, wird er das zuvor gezeigte Verhalten mehr oder weniger zeigen. Es findet also Konditionierung statt.


Mehr zum Thema „Hund-Mensch-Kommunikation“ gibt es hier:
https://kosmos-hund.de/digital/webinare-videos/11392/die-wissenschaft-zur-hund-mensch-kommunikation

Die Wissenschaft zur Hund-Mensch-Kommunikation

Ein Kommentar

  1. Konditionierung wird oft als eine Kommunikation in eine Richtung verstanden. Vom Sender (i.d.R. Mensch) zum Empfänger (i.d.R. Hund). Wenn ich z.B. von einem Gespräch mit dem Hund spreche, dann meine ich, dass nicht nur ich meinem Hund etwas kommuniziere (und damit auch konditioniere), sondern mein Hund mir mit seinem Verhalten darauf antwortet, mich in gewisser Weise damit auch konditioniert und mit seinem Verhalten meine Reaktion auf seine Antwort beeinflusst. Es findet eine wechselseitige Konditionierung statt und das nenne ich dann Gespräch oder Kommunikation. Als Beispiel: Der Mensch hat seinem Hund beigebracht, auf Ruf zu kommen. Dafür bekommt der Hund ein Leckerchen. Der Mensch hat also den Hund konditioniert. Jetzt findet der Hund irgendwann heraus, dass er immer dann gerufen wird (und für sein Kommen eine Belohnung erhält), wenn er im Garten ein Loch gräbt. In der Zukunft gräbt er immer öfter ein Loch und sein Mensch gibt ihm am Ende dafür ein Leckerchen (dazwischen findet noch Rufen und Kommen statt). Es stellt sich dann doch die Frage, wer hier wen konditioniert hat. Und wer für was belohnt wird. Ich würde sagen, hier finden mehrere wechselseitige Konditionierungen statt, die unterschiedlich gedeutet werden können, je nachdem, welche Perspektive (und damit Interpunkion) eingenommen wird, die des Menschen oder die des Hundes. Ein anderes Beispiel: Mein Hund läuft frei, wir kommen an eine Weggabelung, mein Hund zeigt mir deutlich an, welchen Weg er gehen möchte. Ich bin nett und gehe da entlang, wo mein Hund langgehen möchte. Er freut sich, und ich freue mich, dass mein Hund sich freut. Was da passiert (auch emotional), ist nur mit Mühe in Begriffen der Lerntheorie zu beschreiben. Wenn man es versucht, ist es wichtig, festzulegen, was nun Ursache und was Wirkung ist. Ist das Anzeigen des Hundes, welchen Weg er gehen möchte, die Ursache und meine Erlaubnis die Wirkung? Oder ist meine Erlaubnis die Ursache und die Freude des Hundes (und meine Freude über die Freude) die Wirkung? Vielleicht möchte mein Hund aber auch diesen Weg nur deshalb gehen, weil ich mich immer so freue, wenn er mir anzeigt, welchen Weg er gehen will. Im echten Leben ist das nicht mehr so einfach zu unterscheiden, was nun Ursache und was Wirkung ist. Da ist Kommunikation kreisförmig (um nochmal Watzlawick zu bemühen). Die Ursache führt zu einer Wirkung, die wiederum eine neue Ursache für eine weitere Wirkung darstellt. Und plötzlich ist alles verwirrend und nicht mehr so schön klar, wie in der Lerntheorie.

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