Margaret Gruen und Kolleg:innen haben untersucht, ob verschiedene Hunderassen Schmerz unterschiedlich empfinden. Für diese Studie wurde natürlich keinem Hund vorsätzlich Schmerz zugefügt. Vielmehr wurden sowohl Tierärzte als auch Menschen ohne veterinärmedizinischen Hintergrund befragt, wie sie die Schmerzempfindlichkeit verschiedener Hundetypen einschätzen. Die Testpersonen sollten jeweils ein Foto der 28 ausgewählten Rassen betrachten und die Schmerzsensibilität dieser Rasse auf einer Skala von „Überhaupt nicht schmerzempfindlich“ bis „Höchste vorstellbare Schmerzempfindlichkeit“ bewerten.
Kleine Hunde werden als schmerzempfindlicher eingeschätzt
Für die Annahme, dass verschiedene Hunderassen ein unterschiedliches Schmerzempfinden haben, gibt es keine physiologische Grundlage. Dennoch gaben 90% der Befragten beider Gruppen an, dass verschiedene Rassen Schmerzreize unterschiedlich wahrnehmen. Generell wurden kleine, leichte Hunde als schmerzsensibler eingeschätzt. Unter den Befragten ohne tiermedizinischen Hintergrund herrschte zudem die Annahme, dass Rassen, die (in den USA) als gefährlich eingestuft werden, besonders wenig schmerzempfindlich sind.
Die Faktoren, die nach Meinung der Befragten die Schmerzempfindlichkeit hauptsächlich beeinflussen unterscheiden sich zwischen den Gruppen. Während die Tierärzten mehr als die Laien annehmen, dass dabei vor allem das Temperament eine Rolle spielt, geht die Allgemeinheit eher davon aus, dass die Dicke der Haut den größten Einfluss hat. Beide Gruppen stimmen in der Annahme überein, dass es auch genetische Anteile beim Schmerzempfinden gibt.
Insgesamt unterscheidet sich die Bewertung der Schmerzsensibilität zwischen den Tierärzten und den Laien bei einem Großteil der ausgewählten Rassen. Lediglich bei Malteser, Dackel, Schnauzer, Greyhound, Deutscher Dogge, Rottweiler und Dobermann stimmen die Einschätzungen überein.
Empfindlicher Malteser, stumpfer Mastiff?
Wie in der Abbildung erkennbar, schätzen die befragten Laien (links) Malteser, Chihuahua, Zwergspitz, Dackel und Jack Russel Terrier als besonders schmerzempfindlich ein. Dahingegen schreiben sie Dobermann, Rottweiler, Mastiff, Deutschem Schäferhund und Deutscher Dogge ein geringes Schmerzempfinden zu.
Auch nach der Bewertung der Tierärzte (rechts) werden Malteser, Chihuahua, Zwergspitz und Dackel als besonders schmerzsensibel eingeschätzt. Statt dem Jack Russell Terrier gehört hier allerdings der Husky zu den fünf schmerzempfindlichsten Rassen.
Deutlich stärkere Unterschiede gibt es bei der Bewertung der fünf Rassen mit der geringsten Schmerzsensibilität. Während der Mastiff von beiden Gruppen als besonders wenig schmerzempfindlich eingeschätzt wird, zählen bei den Tierärzten zudem Pit Bull, Labrador Retriever, Golden Retriever und Englische Bulldogge zu den besonders schmerzunsensiblen Rassen.
Spielt Empathie eine Rolle?
Insgesamt gab es auch einen Zusammenhang zwischen der eingeschätzten Schmerzempfindlichkeit und der gefühlten Verbundenheit zur jeweiligen Rasse. In der allgemeinen Gruppe galt: je zugewandter die Befragten einer Rasse waren, umso schmerzsensibler schätzten sie diese ein. Somit hat die Bewertung des Schmerzempfindens einen direkten Zusammenhang zur empathischen Anteilnahme. Dieser Zusammenhang stellte sich unter den befragten Tierärzten genau umgekehrt dar: je angenehmer sie eine Rasse empfanden, umso niedriger schätzten sie die Schmerzempfindlichkeit ein. Möglicherweise interpretieren die befragten Veterinäre die Schmerzempfindlichkeit als eine höhere Verhaltensreaktivität und verknüpfen sie damit einhergehend mit einem komplizierteren Handling während der medizinischen Untersuchung. Dementsprechend würden sie eine ruhigere und besser behandelbare Rasse als angenehmer und damit als weniger schmerzempfindlich einschätzen.
Vorurteile bezüglich der Schmerzempfindlichkeit
Die Studie zeigt also, dass es trotz fehlender physiologischer Grundlage sowohl bei Tierärzten als auch in der allgemeinen Öffentlichkeit Annahmen über unterschiedliche Schmerzempfindlichkeit bei verschiedenen Rassen gibt. Die Grundlage dafür bilden vermutlich vor allem Vorurteile, die auch auf bestimmten äußeren Merkmalen beruhen. Vor allem die Größe scheint hierbei eine Rolle zu spielen. Kleine, leichte Hunde werden dabei generell als schmerzempfindlicher bewertet als große, schwere Hunde. Auch der Einschätzung der Allgemeinheit, dass als gefährlich eingestufte Hunde besonders unsensibel gegenüber Schmerz sind, liegen stereotype Rassebilder zugrunde.
Neben der äußeren Erscheinung scheint auch die persönliche Einstellung zur jeweiligen Rasse sowie die Einschätzung des Temperamentes die Beurteilung des Schmerzempfindens zu beeinflussen.
Die Bewertungen der Tierärzte sind hier besonders relevant, da diese möglicherweise auch einen Einfluss auf den Umgang sowie die Schmerzbehandlung bei Hunden unterschiedlicher Rassen hat.
Im Ernst? Wenn man wirkich herausfinden möchte, ob ein Hund/eine Hunderasse schmerzunempfindlich ist oder nicht, reicht eine subjektive Meinung doch nicht aus. Wenn eine Tierherde von Raubtieren angegriffen wird, verhält sich ein krankes/altes Tier möglichst lange „normal“, um nicht angegriffen zu werden. Dies ist für das Überleben eines Tieres in der Natur von Nöten und ist nicht weil das Tier keine Schmerzen empfindet. Die Aussage, gewisse Hunderassen seien schmerzunempfindlich, gibt Tierquälern grünes Licht für Misshandlungen. Nur weil ein Hund nicht knurrt oder beisst, wenn er Schmerzen hat, heisst das noch lange nicht, dass er keine Schmerzen empfindet!
Es sagt doch niemand, dass ein Hund weniger Schmerzen emfindet. Es geht ja ganz klar darum, welche Faktoren die Einschätzung des Menschen beeinflussen:
„Die Studie zeigt also, dass es trotz fehlender physiologischer Grundlage sowohl bei Tierärzten als auch in der allgemeinen Öffentlichkeit Annahmen über unterschiedliche Schmerzempfindlichkeit bei verschiedenen Rassen gibt. Die Grundlage dafür bilden vermutlich vor allem Vorurteile, die auch auf bestimmten äußeren Merkmalen beruhen.“