Der gestrige Konferenztag war ganz schön vollgepackt mit vielen interessanten Beiträgen zu vielen verschieden Themen.
Zunächst wurden noch die beiden Vorträge vom Vortag nachgeholt – diese stelle ich in diesem Beitrag vor. Die Vorträge zum Thema „Hunde rund um die Welt“ folgen dann im nächsten Beitrag.
Den Anfang machte Gene Brewer zum Thema „Differentielle Psychologie in der Hundeforschung“.
Gene Brewer forscht als Assistenzprofessor für Kognitionswissenschaften an der Arizona State University. Sein wissenschaftliches Interesse umfasst u.a. das prospektive Gedächtnis sowie individuelle Unterschiede im Arbeitsgedächtnis. In seiner Arbeitsgruppe werden die Grundlagen des Gedächtnisses und Aufmerksamkeitsmechanismen untersucht.
Direkt zu Beginn eröffnete Brewer, dass er kein Hundewissenschaftler sei und sich seine Hunde-Erfahrung auf seine beiden Chihuahuas und den Hund seines Freundes beschränkt. – Das macht ja erstmal nix 🙂
Experimentell vs. differentiell
In seinem Vortrag erklärte Gene Brewer die Unterschiede zwischen experimenteller und differentieller Methodik in der Psychologie. Währen der experimentelle Ansatz die untersuchten Individuen als Gruppe ansieht, fokussiert dich der differentielle Ansatz auf die individuellen Unterschiede zwischen den Probanden. Brewer plädiert dafür, dass beide Richtungen zusammenarbeiten sollten bzw. kombiniert werden sollten um die aussagekräftigsten Daten zu erhalten. – Gut da geb ich ihm Recht, ist aber irgendwie nichts Neues.
Im weiteren Verlauf stellt er einige Beispiele aus der Hundeforschung vor. Zunächst bespricht er dabei die Publikation von Svartberg und Forkman, in der über 15.000 Hunde von 164 unterschiedlichen Rassen auf verschiedene Persönlichkeitsmerkmale untersucht wurden. Aufgrund der Datenanalyse haben die Autoren fünf Persönlichkeitsdimensionen erstellt: „Verspieltheit“, „Neugier/Furchtlosigkeit“, „Jagd-Disposition“, „Geselligkeit“ und „Aggressivität“. Es gibt aber auch noch einige andere Publikationen zum Thema. Zum Beispiel von Samuel Gosling und Kollegen oder von Borbála Turcsán und Kollegen.
Was können wir durch die „Pfötigkeit“ lernen?
Als weitere Beispiel führte Brewer ein Studie zur „Pfötigkeit“ bei Hunden an – also ob Hunde die linke oder rechte Pfote präferieren (analog zur Links-bzw. Rechts-Händigkeit bei Menschen). In dieser Studie wurde die Leistung des Immunsystems in Abhängigkeit der Pfötigkeit gemessen. Die Ergebnisse zeigen wohl, dass bestimmte Immunkomponenten je nach Pfötigkeit des Hundes variieren. – Ok? Naja, ich muss nicht alles verstehen…
Ich finde, er hätte eine der unzähligen anderen Studien dazu vorstellen können, die meiner Meinung nach teilweise weitaus naheliegendere Themen untersuchen: zum Beispiel eine Studie zur Lateralisierung bei Hunden im Allgemeinen, über den Zusammenhang von Temperament und Pfotigkeit oder etwas Kurioses zum Zusammenhang von Haarwirbeln und Lateralisierung („Hunde mit Brustwirbeln im Uhrzeigersinn haben deutlich öfter eine Retchts-Präferenz im „Erster-Schritt-Test“ als diejenigen mit Wirbeln, die entgegen dem Uhrzeigersinn ausgerichtet sind – kurios).
Zum Schluss führte er noch ein Studie über die Rasseunterschiede beim Verständnis der Zeigegeste an (von Dorey und Kollegen). Aber auch das gibt es wesentlich mehr Studien zu – zum Beispiel von Márta Gácsi und Kollegen und Péter Pongrácz und Kollegen.
Brewers Fazit lautete:
- man kann experimentelle Methoden benutzen um Hundeverhalten in verschiedenen Bedingungen zu untersuchen
- man kann die individuellen Unterschiede betrachten um zu sehen, wie bestimmte Verhaltensweisen zwischen den Hunden variieren
- man kann beide Ansätze kombinieren um sowohl kontextbezogenen als auch individuelle Faktoren zu berücksichtigen
- man kann diese Erkenntnisse auf die „echte Welt“ übertragen z.B. bei der Auswahl von Behindertenbegleithunden oder um Tierheimhunde besser einschätzen zu können
Na gut, das ist jetzt irgendwie nichts Neues. Ich fand den Beitrag leider etwas oberflächlich – zumal er auch auf die eh schon wenigen Beispiel nur sehr flüchtig eingegangen ist.
„Die Möglichkeiten des sozialen Lernens in Hund-Mensch-Interaktionen“
Danach folgte der von mir freudig erwartete Vortrag von Márta Gácsi.
Márta Gácsi forscht an der Eötvös Lorand Universität Budapest über die Entwicklung und Messung der Hund-Mensch-Bindung sowie in der Rolle der Domestikation in der Entwicklung der sozio-kognitiven Fähigkeiten von Hunden. Dazu führt sie vergleichende Studien mit Hunden und Wölfen durch. Des Weiteren untersucht sie auch die Hund-Mensch-Kommunikation sowie das interspezifische Lernverhalten von Hunden.
In ihrem Vortrag sprach Márta über das interspezifische soziale Lernen von Hunden aus verhaltensbiologischer Sicht.
„In der Natur gibt es weder Belohnungen, noch Strafen – sondern Konsequenzen“
Zunächst leitete sie ein, wie wichtig eine soziale Beziehung zum Menschen und auch soziale Hinweise des Menschen für den Hund sind. Dazu stellte sie mehrere interessante Studien vor.
Soziale Beziehung ist sehr wichtig!
Sie stellt heraus, dass die Bindung eines Hundes zu seinem Besitzer Ähnlichkeiten mit der Bindung zwischen Kind und Eltern aufweist. Wölfe gehen diese Art der Bindung weniger ein. In einer Studie konnte Márta zeigen, dass Tierheimhunde schon nach drei 10minütigen Interaktionen mit einer fremden Person eine bindungsähnliche Beziehung aufbauen.
Zudem richten Hunde ihre Aufmerksamkeit sehr stark auf die kommunikativen Hinweise des Menschen. Das tun sie auch schon von Welpenbeinen an (übrigens im Gegensatz zu handaufgezogenen Wolfswelpen).
Diese hohe Wichtigkeit der menschlichen sozialen Hinweise geht sogar so weit, dass die Hunde diesen Hinweisen folgen, obwohl sie damit eine falsche Entscheidung treffen. Wenn sie also sehen, dass ein Stück Futter unter einem von zwei Bechern versteckt wird und der Mensch dann auf den falschen Becher zeigt, folgen sie wider besseren Wissens mehrheitlich dem Hinweis des Menschen.
Hunde beobachten uns genau
Hunde beobachten nicht nur genau was wir tun, sondern können von unseren Handlungen auch lernen. Zum einen kann man diese in der gestern schon erwähnten Do-as-I-do-Methode zeigen. Damit kann man wohl eine Aktion sogar genau so effizient (wenn nicht sogar effizienter) beibringen, als mit der Clicker-Methode. Zum anderen konnte in mehreren Studien gezeigt werden, dass die Handlungen des Menschen einen positiven Einfluss auf das Problemlöseverhalten des Hundes haben. Untersucht wird das oft mit einer sogenannten Detour-Aufgabe. Dabei wird ein Stück Futter oder ein Spielzeug hinter einer V-förmigen Barriere plaziert. Um an das begehrte Objekt zu gelangen, muss der Hunde also zunächst vom Gegestand weggehen. Hunde haben damit erstaunlich große Schwierigkeiten – wenn es ein Mensch (oder ein Artgenosse) es allerdings vormacht, lernt der Hund deutlich schneller (im Übrigen lernen Hunde besser, wenn es ein dominanter Hund vormacht).
Außerdem stellte Márta noch die sogenannte Model-Rival-Methode vor. Diese wurde von Irene Pepperberg angewandt, um ihrem Papageien Alex Wörter beizubringen. Dabei beobachtet Alex einen menschlichen „Rivalen“ während des Trainings mit der Lehrerin. Gibt dieser eine richtige Antwort, wird er belohnt. Wenn Alex daraufhin das richtige Objekt benannnte, bekam auch er eine Belohnung.
Hier könnt ihr an einem Beispiel sehen, wie die Model-Rival-Methode funktioniert:
Die vorher erwähnten (und viele weitere) Studien legen also nahe, dass die Handlungen des Menschen sowie dessen Zuneigung extrem wichtig für einen Hund sind.
Hunde scheinen also sehr gut im sozialen Kontext zu lernen und soziale Bestärkung sollte einen hohen belohnenden Effekt haben.
Genau das hat Márts dann auch in einer weiteren Studie getestet (leider noch nicht veröffentlicht, das die Datenaufnahme noch nicht abgeschlossen ist). In dieser Untersuchung verglich sie das Lernverhalten von zwei Gruppen Welpen (3-4 Monate alt). Beiden Gruppen wurden zwei verschiedene Aufgaben gezeigt (eine Box mit der Pfote berühren und einen Kong tragen). Die eine Gruppe wurde mit Clicker trainiert und erhielt Futter als Belohnung, die andere Gruppe wurde ausschließlich sozial bestärkt. Die (vorläufigen) Ergebnisse zeigen, dass die Hunde in der Gruppe mit sozialer Bestärkung sich deutlich schneller dem Objekt nähern und die gezeigte Aufgabe nachmachen. In einer Test-Wiederholen schnitten dann die clickertrainierten Hunde besser in der Box-Aufgabe ab.
„Soziales Lernen und soziale Belohnung ist die natürliche Form des Lernens bei Welpen“
Für Hunde ist also die Zusammenarbeit mit dem Menschen an sich schon eine Belohnung. Wie gut das funktioniert, stellte sie an einer Studie vor, in der die Hunde für eine magnetresonanztomographische Untersuchung für 8 Minuten auf dem Scanner absolut stillhalten müssen (inklusive Kopfhörern gegen den Lärm. Im Training dazu verwendeten die Forscher zu großen Teilen soziale Bestärkung und auch die Model-Rival-Methode (teilweise in Verbindung mit Futter). Den Hunden wurde Zeit gegeben und es wurden kaum Kommandos verwendet. Márta zeigte mehrere beeindruckende Videos dazu, die mich wirklich fasziniert haben.
„Viele Besitzer tendieren dazu, die soziale Verbindung zu ihrem Hund zu verlieren – eine Hand ist für den Clicker, die andere für das Futter. Wie soll ich dann meinen Hund noch streicheln?“
Sie weist darauf hin, dass die Methoden im Training mit Hunden oft auf Labor-Experimenten mit Ratten basieren. Diese seinen zwar gute Modelle für Lernverhalten, aber in der „echten Welt“ gibt es noch viele weitere Möglichkeiten, die man nutzen kann. Hunde sind hochsoziale Tiere, die sehr flexibel im Verstehen unserer sozialen Hinweise sind.
Am Ende schließt sie mit einem wunderbaren Satz ab:
„Positive Bestärkung kann alles sein, was positiv ist – zum Beispiel eine Berührung“
Danke Márta für diesen tollen Vortrag!
Die Zusammenfassungen weiterer Vorträge findet ihr hier:
„Lernen und Gedächtnis“ – Teil 1: Über die Gesetze der Verknüpfung und mentale Zeitreise bei Tieren:
https://hundeprofil.de/lernen-und-gedaechtnis-zusammenfassung/
„Hunde rund um die Welt“- Teil 1: Über die Jagd mit Hunden im nicaraguanischen Regenwald und warum nicht jeder Streuner ein Zuhause sucht:
https://hundeprofil.de/hunde-rund-um-die-welt-teil-1-sparcs2015
„Hunde rund um die Welt“ – Teil 2: Was die neue Wissenschaft der Mensch-Tier-Interaktionen über unsere Beziehung zu Hunden aussagt:
https://hundeprofil.de/hunde-rund-um-die-welt-teil-2-sparcs2015
„Stress bei Hunden“ – Teil 1: Die endokrinen Grundlagen von Stress und die Frage, ob Stress dumm macht:
https://hundeprofil.de/stress-bei-hunden-teil-1-sparcs2015/
„Stress bei Hunden“ – Teil 2: Über die Komplexität von Stresssignalen sowie verschiedene Stress-Reaktions-Muster und Stressbewältigungsstrategien:
https://hundeprofil.de/stress-bei-hunden-teil-2-sparcs2015/
Bilder:
„The crew“ von Tony Alter/Flickr unter CC
„unconditional“ von Brandon/Flickr unter CC
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