Um die Zusammenfassungen ein bisschen übersichtlicher zu gestalten, fass ich heute nochmal die Vorträge vom gestrigen #SPARCS – Tag zusammen – zumindest die vor dem Feueralarm 😉
Lernen und Gedächtnis
Peter Killeen: „Gesetze der Verknüpfung“
Angefangen hat die Vortragsreihe mit Peter Killeen, der über die „Gesetze der Verknüpfung“ sprach. Peter Killeen bekleidete eine Professur für Psychologie an der Arizona State University. Im Rahmen seiner Forschungsarbeit gib er vor allem folgenden Fragen nach: Wie lernen wir? Wie vergessen wir? Was motiviert uns? Dabei entwickelte er unter anderem Modelle für Verstärkungspläne. Außerdem forscht er zu Tabakabhängigkeit und ADHS.
In seinem Vortrag stellte er verschiedene Verknüpfungstheorien und deren Weiterentwicklung vor. Angefangen von Hume’s Regultionstheorie, über die Klassische Konditionierung nach Pavlov und operante/instrumentelle Konditionierung nach Thorndike und Skinner bis hin zu Premacks Prinzip – aus seiner Sicht ist letzteres eine Art „Überprinzip“. (Für das Premack-Prinzip nennt er auch ein niedliches Beispiel aus dem Hundehalter-Alltag.)
Aus seiner Sicht ist ein häufiger Fehler, der bei der Verstärkungstheorie (und auch in der Praxis) gemacht wird, das Gleichsetzen der Belohnung mit einem Stimulus und nicht mit einer Handlung. Er sagt, dass nicht Dinge, sondern Aktionen belohnend wirken. Demnach wäre also nicht das Futter an sich die Belohnung, sondern das Fressen. Deutlicher wird es eventuell am Beispiel der Belohnung mit einem Spielzeug: Nicht der Ball an sich hat den belohnenden Effekt, sondern das Spielen mit dem Ball.
Der Gedankengang, der mir an seinem Vortrag am besten gefallen hat, ist folgender:
„Um Verhalten wirklich zu verstehen, muss man die Verbindung zwischen Physiologie, Theorie und praktische Anwendung verstehen“ – Ja, Verknüpfungen sind halt überall wichtig 😉
(Aufgrund der anfänglichen technischen Schwierigkeiten habe ich leider nicht alles von diesem Vortrag mitbekommen. Ich werde ihn mir noch einmal anschauen, wenn er online gestellt wurde und eventuell noch ergänzen.)
Ekrem Dere: „Mentale Zeitreise bei Tieren“
Der zweite Vortragende an diesem Abend war Ekrem Dere. Er sprach über „mentale Zeitreise“ bei Tieren.
Ekrem Dere ist Verhaltens-Neurowissenschaftler. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Neurobiologie und Neuropathologie des episodischen Gedächtnisses sowie die verhaltensbezogenen Funktionen der sogenannten gap junctions im Gehirn.
Dere: „Für eine mentale Zeitreise braucht man keine Zeitmaschine. Man kann sowohl in die Vergangenheit als auch Zukunft reisen“
„Mentale Zeitreise“ beschreibt das Phänomen zu wissen, zu welchem Zeitpunkt und wo einem was passiert ist und welche Emotionen man mit diesem Ereignis verbindet. Wir erinnern uns an Vergangenes und ziehen daraus unsere Schlüsse für die Zukunft. Lange wurde diese Fähigkeit als einzigartig menschlich betrachtet. Man ging davon aus, dass Tiere nur im Hier-und-Jetzt leben. Doch neuere Erkenntnisse aus der Neurowissenschaft und der vergleichenden Psychologie stellen diese Annahmen immer mehr in Frage.
Einzigartig menschlich?
Ein Grund für diese Annahme war wohl, dass man schlich nicht wusste, wie man dieses Phänomen bei Tieren untersucht. Bei Menschen wird die mentale Zeitreise über autobiographische Interviews untersucht – das ist natürlich mit Tieren nicht möglich. Deshalb muss man das Verhalten beobachten. Dabei lässt man das Tier in bestimmten Situationen bestimmte Erfahrungen machen und schaut, wie es sich später in einer ähnlichen Situation verhält.
Ekrem Dere stellt verschiedene Studien vor, die zeigen, dass Tiere sehr wohl wissen, wann sie wo welche Handlung durchgeführt haben. Zunächst bespricht er ein Studie von Clayton und Dickinson, die nahelegen, dass Buschhäher sehr wohl wissen, wann sie wo welches Futter versteckt haben.
Dann stellt er ein Studie vor, die er selbst durchgeführt hat. Die Ergebnisse zeigen auf, dass auch Mäuse wissen, wann sie wo welchen Gegenstand schon einmal untersucht haben.
Als nächstes präsentiert er eine Studie vor, die bei uns am Max-Planck-Institut mit verschiedenen Menschenaffen durchgeführt wurde: In diesem Versuch wurde unter einem Becher ein Weintraube und unter dem anderen Becher gefrorener Saft versteckt – die Affen bevorzugen eigentlich den Saft. Dann durften die Affen entweder nach kurzer oder nach langer Pause einen der Becher wählen. Die Ergebnisse zeigen, dass sie nach längerer Zeit seltenere den Saft und häufiger die Weintraube gewählt haben (also entgegen ihrer eigentlichen Präferenz). Sie wussten also, dass der Saft nun getaut war und somit nicht mehr verfügbar (weil weggeflossen).
Zwei weitere vorgestellte Studien zeigen, dass Tiere auch ein prospektives Gedächtnis haben – dass sie also aus Erfahrungen wissen, welche zukünftigen Konsequenzen ein bestimmtes Verhalten hat und ihre Handlungen danach richten (also vorausplanen).
Besonders interessant fand ich dabei eine Studie mit Totenkopfäffchen. In dieser Studie wurde den Äffchen die Wahl zwischen einer kleinen und einer großen Menge an Leckereien gegeben (Natürlich bevorzugen die Äffchen dabei die größere Menge). Allerdings wurde die jeweilige Wahl dann an eine Konsequenz geknüpft: Wenn die Äffchen die größere Menge wählten, wurde die Wasserversorgung für mehrere Stunden eingestellt (was ziemlich fies ist, da diese Leckerlies Durst auslösten). Wählten sie aber die kleinere Menge, wurde die Wasserversorgung deutlich kürzer unterbrochen. Die Äffchen konnten nach kurzer Zeit die Folgen ihrer Wahl abschätzen und wählten entgegen ihrer Präferenz immer häufiger die kleine Menge an Leckerlies.
Wie sieht es bei Hunden aus?
Laut Dere gibt es keine Studien über mentale Zeitreise bei Hunden. Was seiner Meinung nach noch am ehesten in diese Richtung geht, ist die Studie von Claudia Fugazza und Adam Miklosi zur „Verzögerten Imitation“. Die Autoren haben mit der Do-as-I-Do-Mehtode untersucht, ob und wie lange sich Hunde an eine gezeigte Aktion erinnern können. Die Ergebnisse zeigten, dass sie in der Lage sind noch 10 Minuten nach der Demonstration die richtige Aktion durchzuführen.
Hier seht ihr ein niedliches Video zur Do-as-I-do-Methode (ohne Verzögerung):
Meiner Meinung nach hätte er auch noch eine Studie von Juliane Kaminski und Kollegen vorstellen können. Hier wurden zwei Hunde untersucht (Rico und Betsy, die jeweils mehrere hundert Spielzeuge unterscheiden können), ob diese ihre Suche nach einem bestimmten Spielzeug planen. Die Ergebnisse zeigen, dass Rico die Informationen zu Was und Wo verknüpfen konnte und seine Suche im Voraus plante. Betsy hat diese Fähigkeit nicht gezeigt.
Dere schließt seinen Vortrag mit dem Statement ab, dass viele Tierarten vermutlich ähnliche kognitive Fähigkeiten besitzen wie wir Menschen – nur oft auf einem niedrigeren Niveau.
In der anschließenden Fragerunde kamen noch zwei interessante Fragen auf:
Frage: Wieso wird bei Tieren von „dem episodischen Gedächtnis ähnlich (episodic-like)“und nicht von „episodischem (episodic) Gedächtnis“ gesprochen?
Dere: „Weil wir nicht wissen, ob Tiere die Situation genau so „lebendig“ empfinden, wie wir.“
Frage: „Was verstehen Leute falsch wenn sie vom episodischen Gedächtnis bei Tieren im Alltag sprechen.“
Dere: „Es ist oft nicht klar, ob sich das Tier wirklich erinnert was, wann, wo erlebt wurde, weil im realen Leben schlecht kontrollierbar ist, was wirklich erinnert wird und Überinterpretationen wahrscheinlich sind.“
Jup, genau deswegen deswegen sind kontrollierte Experimente so wichtig! 🙂
Ekrem Deres Vortrag hat mir an diesem Tag am besten gefallen. Er war schön klar strukturiert, es gab viele anschauliche Beispiel und eine deutliche Take-Home-Message. Danke Ekrem Dere!
Wer sich noch mehr für dieses (und andere Themen rund um die kognitiven Fähigkeiten von Tieren) interessiert, dem kann ich das Buch von Juliane Bräuer „Klüger als wir denken – wozu Tiere fähig sind“ wärmstens empfehlen. Darin beschreibt sie anschaulich und schön illustriert verschiedenste Studien zur mentalen Zeitreise und vielen anderen Themengebieten. In meinem anderen Blog gibt es auch eine Rezension dazu.
Heather Bimonte-Nelson: „Wie wissen wir morgen mehr als heute? Die verhaltensbezogene Neurowissenschaft des Lernens und Erinnerns“
Der dritte Vortag an diesem Tag wurde von Heather Bimonte-Nelson gehalten. Sie sprach zum Thema „Wie wissen wir morgen mehr als heute? Die verhaltensbezogene Neurowissenschaft des Lernens und Erinnerns“.
In ihrer Forschungsarbeit konzentriert sich Heather Bimonte-Nelson vor allem auf die Frage, welche kognitive Veränderungen mit dem Altern einhergehen und wie diese Auswirkungen abgeschwächt werden können. Dazu forscht sie vorrangig an Tier-Modellen (Ratten).
Die Fähigkeit zu Lernen und zu Erinnern erlaubt es uns, Informationen ständig anzupassen und Fähigkeiten zu verbessern – also uns weiterzuentwickeln. In ihrem Vortrag stellt Heather Bimonte-Nelson grundlegende und komplexe Forschung zum Lernen und Erinnern vor.
Neuronale Plastizität
Das meiste, was wir über die Welt wissen, wissen wir nicht von Geburt an, sondern haben wir durch Erfahrungen gelernt – deswegen ist das Gedächtnis so wichtig. Die Fähigkeit zu Lernen und zu Erinnern erlaubt es uns, Informationen ständig anzupassen und Fähigkeiten zu verbessern – also uns weiterzuentwickeln. Die Grundlage dieser ständigen dafür ist die neuronale Plastizität – Das heißt, dass die Millionen Neuronenverbindungen in unserem Gehirn sich ständig erneuern und anpassen. Je nach Erfahrungen, werden also einige Neuronenverknüpfungen stärker und andere schwächer. Lernen und Gedächtnis sind also sehr eng miteinander verknüpft.
Nach dem theoretischen Teil stellt sie noch eine Studie vor, die sie mit Ratten durchgeführt hat. In einem Labyrinth-Test konnte sie zeigen, das ältere Ratten ein schlechteres Erinnerungsvermögen besitzen als jüngere Ratten. Wenn allerdings weniger Informationen aus dem Arbeitsgedächtnis nötig sind, erinnern sich auch ältere Ratten besser. Um also das Gedächtnis bei älteren Tieren zu verbessern, sollte man die Beanspruchung des Gedächtnissen herunterfahren (ehrlich gesagt weiß ich nicht so richtig, was das bedeutet – ich schau mir den Vortrag dann aber später nochmal an und ergänze die Informationen).
Im großen und ganzen fing de Vortrag gut an. Allerdings hörte er auf, bevor er richtig losging. Schade!
Alle weiteren Vorträge für diesen Tag mussten dann aufgrund einer Fehlfunktion der Sprinkleranlage leider abgesagt werden und werden heute nachgeholt. Also dranbleiben! 😉
Die Zusammenfassungen weiterer Vorträge findet ihr hier:
„Lernen und Gedächtnis“ – Teil 2: Über die Forschung zu individuellen Unterschieden bei Hunden und wie soziales Lernen in der Hun-Mensch-Interaktion funktioniert:
https://hundeprofil.de/sparcs2015-lernen-und-gedaechtnis-teil-2/
„Hunde rund um die Welt“- Teil 1: Über die Jagd mit Hunden im nicaraguanischen Regenwald und warum nicht jeder Streuner ein Zuhause sucht:
https://hundeprofil.de/hunde-rund-um-die-welt-teil-1-sparcs2015
„Hunde rund um die Welt“ – Teil 2: Was die neue Wissenschaft der Mensch-Tier-Interaktionen über unsere Beziehung zu Hunden aussagt:
https://hundeprofil.de/hunde-rund-um-die-welt-teil-2-sparcs2015
„Stress bei Hunden“ – Teil 1: Die endokrinen Grundlagen von Stress und die Frage, ob Stress dumm macht:
https://hundeprofil.de/stress-bei-hunden-teil-1-sparcs2015/
„Stress bei Hunden“ – Teil 2: Über die Komplexität von Stresssignalen sowie verschiedene Stress-Reaktions-Muster und Stressbewältigungsstrategien:
https://hundeprofil.de/stress-bei-hunden-teil-2-sparcs2015/
Bildnachweise:
Push to travel von whatleydude /Flickr unter CC
Neuron Branches von Shannon Hauser/Flickr unter CC
Pingback:KynoLogisch | Lernen und Gedächtnis – Teil 2 – SPARCS2015
Danke für die Teilhabe an den interessanten Erkenntnissen.
Bei der Schulung von Jagdhunden, kann ich über viele vergleichbare Erkenntnisse berichten. Meine junge Drahthaar-Hündin hatte z. B. auf der Jagd mit mir erlebt, dass eine Taube, die ich geschossen hatte, sich tot in einer hohen Eiche verfangen hatte, so dass ich sie dort in der Höhe mit mehreren Schrotschüssen herunterholte, so dass sie vor dem Hund an der Wurzel der Eiche zu Boden fiel. 11 Jahre lang verharrte die Hündin jedes Mal an dieser Eiche, wenn wir dort vorbei kamen, starrte erwartungsvoll nach oben und schien zu hoffen, dass ihr erneut eine Taube zum Apportieren vor die Pfoten fallen würden. So viel zu „Ein Hund vergisst nie“, vor allem wenn die Jagdgebrauchshunde-Rassen seit unzähligen Generationen nur mit gesunden, geprüften, hoch veranlagten, Nasen geprägten und stets Erfahrung speichernden Hunden gezüchtet werden.
Vielleicht kann ich mit einer eine ganz, ganz winzigen Studie zu mentalen Zeitreisen bei Hunden aushelfen: 😉
Wir mussten zum Tierarzt und die Heckklappe war defekt, also saß mein Hund zum ersten Mal auf der Rückbank. Am nächsten Tag mussten wir wieder zum Tierarzt und die Heckklappe war immer noch kaputt, also saß er wieder auf der Rückbank. Als er das nächste Mal wieder auf der Rückbank sitzen sollte, wollte er partout nicht einsteigen, obwohl er Auto fahren sonst eigentlich mag. Er hat die Folgen (Tierarztbesuch) seines Handelns (Rückbank sitzen) vorhergesehen und versucht zu vermeiden.
Das ist doch fast so gut wie das Kapuzineräffchen?
🙂 So ähnlich hatten wir das mal mit einem Testhund am Institut. Bei ihm war es aber andersherum: Eigentlich mochte er Auto fahren gar nicht. Er hat aber an einer Studie teilgenommen, bei der die Hunde ca. 20 mal zu uns kommen mussten. Da es zu viel Aufwand für die Besitzer wäre, den Hund jedes Mal zu uns zu bringen, haben wir sie abgeholt. Nach ein paar Terminen hat der Hund mitbekommen, dass Auto fahren bedeutet, dass man die nächsten zwei Stunden bespasst wird und Unmengen an Leckerlies bekommt. Also hat er sich nach kurzer Zeit total gefreut, wenn er mit dem Auto abgeholt wurde 🙂
Ja, so eine Geschichte haben wir auch 🙂 : Meine zauberhafte Hundsperson trägt zu Hause kein Halsband, nur wenn wir spazieren gehen. Anfangs wollte er sein Halsband nie anziehen, aber nach ein paar Tagen hat er gemerkt, dass es kurz danach losgeht und seitdem springt er rein wie ein Delphin.
😀
Vielen Dank für diese Zusammenfassung, sehr interessant.
Dankeschön! Und sehr gern! 🙂