Hunde nutzen ihre Erfahrungen in Problemlöseaufgaben nicht

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Kleinkinder lernen die physikalischen Zusammenhänge in ihrer Umwelt vor allem über spielerische Interaktionen mit verschiedenen Objekten kennen. Corsin Müller und seine Kollegen vom Clever Dog Lab in Wien haben nun untersucht, ob bei Hunden ähnliche Lernprozesse stattfinden und ob frühere Erfahrungen beim Problemlösen hilfreich sind. Zusätzlich untersuchen die Wissenschaftler, inwieweit die Impulskontrolle der Hunde einen Einfluss auf die Problemlösestrategie hat.

 

An dieser Studie nahmen 41 Border Collies teil. Die Hunde wurden in drei Gruppen eingeteilt, die im Laufe ihres Lebens unterschiedliche Erfahrungen mit verschiedenen Spielzeugen gemacht haben. Eine der Gruppen bekam zwischen dem dritten und 15. Lebensmonat regelmäßig die Möglichkeit mittels 12 verschiedener Intelligenz-/ Geschicklichkeitsspielen Erfahrungen über physikalische Vorgänge zu sammeln. Zum Beispiel spielten dabei Schwerkraft, Größenverhältnisse oder Verbundenheit eine Rolle. Die zweite Gruppe bekam ähnliche Spielzeuge. Allerdings boten diese nicht die gleichen Möglichkeiten, die physikalischen Zusammenhänge zu erlernen, die später in der Studie relevant waren. Eine vollständige Auflistung der jeweiligen Spielzeuge findest du hier. Die Hunde in der dritten Gruppe machten keine speziellen Lernerfahrungen wie die beiden anderen Gruppen. Sie spielten in dem entsprechenden Zeitraum lediglich mit „normalen“ Spielzeugen (Ball, Strick, Gummispielzeug usw.).

Die drei Gruppen haben somit also unterschiedlich viel Erfahrung mit physikalischen Problemen bevor sie an den eigentlichen Versuchen teilnahmen.

 

Das Level der Impulskontrolle

 

Außerdem wurde die Impulskontrolle der Hunde mithilfe drei verschiedener Tests ermittelt:

 

In der „Warten-aufs-Futter-Aufgabe“ sollte der Hund ein auf dem Boden liegendes Stück Futter nicht nehmen bis der Besitzer es erlaubt. Ein Beispiel siehst du hier:

 

 

In der „Drei Becher-Aufgabe“ werden unter 2 von 3 Bechern Futterstücke versteckt. Der Hund darf nur zwei der Becher umwerfen. Er muss also den leeren Becher auslassen, wenn er beide Futterstücke bekommen möchte:

 

 

Bei der „Leinen-Aufgabe“ ist die Leine des Hundes um ein Hindernis gewickelt und es wird die Zeit gemessen, die der Hund braucht, um zu seinem Besitzer zu gelangen:

 

 

Aus den Ergebnissen dieser drei Aufgaben konnten die Wissenschaftler das individuelle Level an Impulskontrolle einschätzen und somit untersuchen, wie sich dieses auf die Lösung von physikalischen Problemaufgaben auswirkt.

 

Vier anspruchsvolle Problemlöseaufgaben

 

Nun wurden alle Studienteilnehmer mit vier verschiedenen physikalischen Problemlöseaufgaben konfrontiert.

In der „Größen-Beständigkeits-Aufgabe“ ging es darum, ob der Hund versteht, dass Objekte ihre Größe nicht ändern, wenn sie kurz verschwinden. Dabei wurde ein Fussball entweder zur Hälfte sichtbar hinter einen kleinen Barriere oder völlig verdeckt hinter einer großen Barriere versteckt. Wenn der Ball für den Hund also nicht sichtbar ist, sollte er schlussfolgern, dass er sich hinter der großen Barriere befinden muss (siehe Video).

 

 

 

In der „Brett-Ranzieh-Aufgabe“ musste der Hund sich zwischen zwei Brettern entscheiden, die er mit der Pfote zu sich heranziehen konnte. Dabei lag auf dem einen Brett ein Leckerli, während ein zweiten Futterstück neben dem zweiten Brett lag.

 

In der „Röhren-Falle-Aufgabe“ befand sich ein Stück Futter in der Mitte einer waagerecht hängenden Plexiglas-Röhre. Der Hund kann an das Futterstückchen gelangen, indem er an einer Seite zieht und somit die Röhre kippt. Allerdings befindet sich auf der einen Seite der Röhre eine „Falle“, in die das Leckerli fallen würde, wenn der Hund an diesem Ende zieht. Der Hund muss als das andere Ende betätigen:

 

 

Die „blockiert-Röhren-Aufgabe“ funktioniert ähnlich wie die vorherige. Hier muss der Hund sich zwischen zwei Röhren entscheiden. Eine Röhre hat offene Enden, während bei der anderen die Öffnungen verschlossen sind, so dass das Leckerli nicht herausfallen kann.

 

Vorherige Erfahrungen spielen keine Rolle

 

Alle vier Aufgaben sind sehr anspruchsvoll für Hunde. Die Annahme der Forscher war, dass diejenigen Hunde besser abschneiden würden, die durch die entsprechenden Intelligenzspielzeuge schon Erfahrungen mit den physikalischen Zusammenhängen gemacht haben.

Allerdings konnten die Resultate diese Annahme nicht bestätigen. Obwohl die Hunde in der ersten Gruppe 18 Monate lang auf ein gewisses physikalische Verständnis trainiert wurden, zeigen die Ergebnisse, dass die vorherige Erfahrung mit den Intelligenzspielzeugen keinen Einfluss auf das Problemlöseverhalten in den Tests hatte. Es scheint also so, dass Hunde ihr vorher erlangtes Wissen über physikalische Zusammenhänge nicht auf neue Aufgaben transferieren können. Stattdessen legen die Ergebnisse nahe, dass das Level der inhibitorischen Fähigkeiten (Impulskontrolle) einen Einfluss auf das Problemlöseverhalten haben. Je nach Aufgabe hat das Maß an Impulskontrolle die Leistung positiv oder negativ beeinflusst. Während weniger ruhige Hunde bei der „Größen-Beständigkeits-Aufgabe“ besser abschnitten, half die Selbstbeherrschung bei der „Brett-Ranzieh-Aufgabe“. Das Level an Impulskontrolle hatte keinen Einfluss auf das Abschneiden in den beiden Röhren-Aufgaben. Es sind also noch weitere Studien notwendig, um den genauen Einfluss der inhibitorischen Fähigkeiten auf das Problemlöseverhalten von Hunden einschätzen zu können.

 


 

Quelle:

Müller CA, Riemer S, Virányi Z, Huber L, Range F (2016) Inhibitory Control, but Not Prolonged Object-Related Experience Appears to Affect Physical Problem-Solving Performance of Pet Dogs. PLoS ONE 11(2): e0147753. doi:10.1371/journal.pone.0147753

 

Beitragsbild:

„Jack and his toy fish“ von Tommy Wong/Flickr unter CC BY 2.0

 

5 Kommentare

  1. Was ich nicht so recht verstehe…und ich bin ja nur ein dummer Hund…aber müsste das Spielen mit solchem Spielzeug denn nicht auch die Impulskontrolle fördern? Und eventuell auch das Selbstvertrauen des Hundes stärken? Zumindest bei positiver Erfahrung…*neugierigschau*

    • Hallo Rico,
      ich denke, es ist durchaus möglich, dass solche Spiele auch die Impulskontrolle fördern. Das wurde hier allerdings nicht untersucht, deswegen kann man von dieser Studie auch keine Rückschlüsse darauf ziehen. Gleiches gilt auch für das Selbstvertrauen. Schaden tun sie vermutlich jedenfalls nicht 😉

  2. Ich konnte mir das spontane Grinsen nicht verkneifen, als ich diesen Leinen- Verkehrsschild Test gesehen habe. Unser Rüde (Longhaired Whippet) kann diese Aufgabe auch nach gefühlten 1000 Wiederholungen nicht lösen. Keine Chance! Da er sehr auf seine Bezugspersonen fixiert ist, kann ich nur (ganz unwissenschaftlich formuliert) vermuten, dass dem Drang zu seinem Frauchen/Herrchen zu kommen alles andere untergeordnet wird. Und je mehr dieses Verlangen steigt umso weniger ist eine Lösung möglich. Allerdings reicht unmittelbar vor dem Erreichen eines Verkehrsschildes ein sanftes Ansprechen aus um ihn auf die richtige Seite zu lotsen. Ich würde aber nicht behaupten wollen, dass er die Situation durch dieses Ansprechen erkennt, sondern einfach nur gut hört und aus Erfahrung weiß, dass damit nichts Negatives verbunden ist.

    Unser Mädchen (Galgo Español, oder einfach Galgonette) ist in dieser Hinsicht sehr viel fixer und hat mit dieser Aufgabenstellung kein Problem. Sobald sich die Leine spannt, erkennt sie dass es nicht weiter geht und wählt den anderen Weg. Sie ist grundsätzlich (natürlich auch durch die Rasse bedingt) sehr viel eigenständiger und trifft ihre Entscheidungen auch sehr viel schneller als der Rüde.

    LG Wolfhart

  3. Ein Lebewesen, daß impulsiv reagiert, denkt nicht nach und fragt damit eben auch nicht bereits vorhandenes Wissen aus dem Gedächtnis ab. Das hat man schon in Studien an Menschenkindern nachgewiesen. Also spielt Impulskontrolle eine große Rolle. Leider wird in diesem Test die Impulskontrolle zurückgeführt auf klassische, behavioristische Lernerfahrungen mittels Leckerchen. Ist dies schon im jungen Alter mit dem Hund durchgeführt worden, bleiben ihm andere Lernerfahrungen (durch Vorbildverhalten von mit ihm sozial lebenden Artgenossen oder von anderen als Sozialpartner akzeptierten Lebewesen) aus und belegen neurobiologisch keine Felder. Damit verhindert sich die Ausbildung genau dieser Assoziationsfähigkeit. Man hätte Hunde als Vergleichsgruppe nehmen sollen, die NIE in ihrem Leben mit Leckerchen oder Spielzeug belohnt wurden, sondern genau über Vorbildverhalten als Welpe und Junghund schon lernen durften…ich schätze mal, es wäre andere Ergebnisse entstanden.

    • Ich bin mir nicht sicher, ob ich deine Anmerkungen richtig verstehe – aber ich versuche mal meinen Standpunkt dazu zu äußern:

      Es ist im Laborsetting relativ schwierig, nicht mit Spielzeug oder Leckerlies zu arbeiten, weil wir ja immer darauf angewiesen sind, dass der Hund auch ausreichend motiviert ist, um mitzumachen. Der Einsatz von Leckerlis und/oder Spielzeug in diesem Zusammenhang bedeutet auch nicht automatisch, dass es ein behaviouristischer Ansatz ist, da es ja in den Aufgaben um flexible Verhaltenweisen geht und eben nicht um „einfache“ Reiz-Reaktions-Muster.

      Ich persönlich finde zwei der Impulskontrolle-Tests auch nicht besonders glücklich gewählt, weil sie auf Training beruhen. Ich denke, es würde mehr Sinn machen, die Impulskontrolle in „spontanen“ Tests zu überprüfen, die kein Training benötigen. Aber das ist ja zumindest bei dem „Leine-Hindernis-Test“ der Fall, wenn ich es richtig verstanden habe. Da werden auch keine Leckerlis verwendet.

      In dieser Studie ging es explizit nicht um soziales Lernen oder andere Aspekte der sozialen Kognition, sondern um das physikalische Verständnis. Dabei werden in den Tests bewusst sämtliche soziale Faktoren möglichst vermieden. In der Studie wurde lediglich die Frage untersucht, inwieweit die Vorerfahrung mit physikalischen Zusammenhängen die Leistung in Aufgaben, in denen es um das Verstehen von physikalischen Zusammenhängen geht, beeinflusst. Das Ergebnis zeigt, dass es das offensichtlich nicht tut. Aber die Impulskontrolle scheint einen Einfluss zu haben. Nicht mehr oder weniger ist die Aussage dieser Studie.

      Deinen Ansatz, dass ein Hund, der AUCH mit Leckerli oder Spielzeug belohnt wird, nicht mehr in der Lage ist, sozial von Artgenossen zu lernen verstehe ich nicht so richtig und kann ich mir ehrlich gesagt auch nicht so richtig vorstellen. Warum sollte das eine das andere ausschließen? Hast du dazu Literatur?

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