Das Geheimnis des Hundeblicks

Gestern erschien ein Paper, dass ich schon gespannt erwartet hatte „Evolution of facial muscle anatomy in dogs“ von Juliane Kaminski und Kolleg*innen. Die Forscher*innen haben mit Hilfe das DogFACS die Gesichtsmuskeln von Wölfen und verschiedenen Hunden untersucht.

Das sogenannte FACS (Facial Action Coding System), ein Codiersystem der menschlichen Gesichtsbewegungen, wurde in den 70er Jahren von Paul Ekman entwickelt und ermöglicht, menschliche Mimiken objektiv zu erfassen. Mittlerweile wurde dieses System auf verschiedene andere Tiere, unter anderem eben Hunde, übertragen.

Nun wurde untersucht, inwieweit sich die Gesichtsmuskeln des Hundes von denen des Wolfes unterscheiden. Dazu wurden sowohl anatomische Vergleiche angestellt als auch Videos von mimischen Bewegungen bei Wölfen und Hunden ausgewertet.

Die Ergebnisse des anatomischen Vergleichs zeigen, dass vor allem der sogenannte LAOM (levator anguli oculi medialis) sowie der RAOL (anguli oculi lateralis muscle) bei Hunden deutlich stärker ausgeprägt sind als bei Wölfen.

Gesichtsmuskulatur des Hundes (links) und des Wolfes (rechts). Die anatomischen Besonderheiten beim Hund sind rot gekennzeichnet.
© Tim D. Smith (Cambridge University Press, Cambridge, UK)
Quelle: https://www.pnas.org/content/early/2019/06/11/1820653116

Vor allem LAOM ist für eine mimische Regung verantwortlich, die besonders ansprechend auf Menschen wirkt:
Das Hochziehen der inneren Augenbraue – im FACS-Code genannt AU101 – lässt Menschen dahinschmelzen. Die Bewegung sorgt dafür, dass die Augen größer erscheinen und gibt dem Hund damit einen kindlichen Ausdruck. Zudem ähnelt dieses Mienenspiel einem traurigen Gesichtsausdruck beim Menschen. Vermutlich wird dadurch ein Gefühl der Fürsorge ausgelöst. Somit haben diejenigen Hunde, die diese Bewegung ausüben einen Selektionsvorteil. So werden Hunde, die diese Bewegung draufhaben und öfter einsetzen, schneller aus dem Tierheim adoptiert als Vierbeiner, die diese Regung nicht so ausgeprägt zeigen.

Heben der inneren Augenbraue rechts
Bild von Waller et al. 2013, Plos One, https://doi.org/10.1371/journal.pone.0082686.g001  

Außerdem könnte die AU101-Bewegung auch eine Rolle in der direkten Hund-Mensch-Kommunikation zu spielen. Bei Menschen spielen die Bewegungen der Augenbrauen eine besondere Rolle im kommunikativen Kontext: sie dient dazu, Inhalte hervorzuheben, so dass wir dem Gesprächspartner in diesen Situationen besonderes Interesse schenken. Möglicherweise führt die vergleichbare Bewegung beim Hund also dazu, dass wir unsere Aufmerksamkeit unbewusst auch mehr auf ihn lenken.

Videoanalysen spiegeln anatomische Befunde

Wie im ersten Bild erkennbar, sind die anatomischen Strukturen, die als Voraussetzung für das Hochziehen der Augenbraue dienen, beim Wolf deutlich weniger stark bzw. gar nicht ausgeprägt als beim Hund. Und tatsächlich bestätigen auch die Auswertungen der Videosequenzen, dass Wölfe dieses Mienenspiel deutlich weniger intensiv zeigen als unsere vierbeinigen Begleiter es tun. Auf einer Intensitätsskala von A bis E zeigen Wölfe lediglich in Intensität A vergleichbare Werte mit den Hunden. Hunde zeigten die Intensitätsstufen B und C häufiger als die Wölfe. Die Stufen D und E konnten ausschließlich bei Hunden registriert werden (siehe Videos unten).

Menschen haben also während der Domestikation, diejenigen Hunde bevorzugt, die den „Hundeblick“ gut drauf hatten – es ist ein starker Selektionsvorteil. Diese Selektion führte sogar dazu, dass sich in erstaunlich kurzer Zeit neues Muskelgewebe entwickelte, um genau diesen Blick zu perfektionieren. Wer kann da schon widerstehen?!


Alle Videos aus Kaminski et al. 2019 https://doi.org/10.1073/pnas.1820653116

Wolf, Intensität A
Wolf, Intensität B
Hund, Intensität C
Hund, Intensität E

Referenz:

Kaminski, J., Waller, B.M., Diogo, R., Hartstone-Rose, A., Burrows, A.M.. Evolution of facial muscle anatomy in dogs. Proceedings of the National Academy of Sciences, June 17, 2019; DOI: 10.1073/pnas.1820653116

Weitere Studien und Links:

Waller, B. M., Peirce, K., Caeiro, C. C., Scheider, L., Burrows, A. M., McCune, S., & Kaminski, J. (2013). Paedomorphic facial expressions give dogs a selective advantage. PLoS one8(12), e82686.

http://animalfacs.com/dogfacs-1.html

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