Hunde, so intelligent wie Kleinkinder?

Prof.Mira

In letzter Zeit bin ich in den Medien wieder gehäuft über Aussagen wie „Hunde sind so intelligent wie Kleinkinder“ gestolpert. Da gibt es dann zu lesen, dass es wissenschaftliche erwiesen sei, dass Hunde genau so schlau seien wie 3-jährige Kinder. So einfach ist das aber gar nicht– mal ganz abgesehen davon, dass man mit solchen Studien nichts beweisen kann.

Es ist totaler Unsinn, die „Intelligenz“ von Tieren bestimmen zu wollen und noch größerer Unfug ist es, die „Intelligenz“ zwischen Arten zu vergleichen. Denn um diese Fragen zu beantworten, müsste man erst einmal definieren, wann ein Tier als intelligent gilt. Und das ist schwierig, vorsichtig ausgedrückt.

Beim Menschen macht man Intelligenztests. Diese testen mehrere Bereiche von Intelligenz und resultieren zumeist in einem sogenannten Intelligenzquotienten. Da es aber auch für den Menschen keine einheitliche Definition von Intelligenz gibt, gibt es viele verschiedene Intelligenztests, die teilweise unterschiedliche Bereiche untersuchen. Außerdem bleiben dabei andere Persönlichkeitsmerkmale wie zum Beispiel die Emotionale Intelligenz unberücksichtigt. Auch deswegen sind IQ-Tests durchaus umstritten.

Sind Orang-Utans intelligenter als Menschen?

Doch wenn sich die Definition des Intelligenzbegriffes schon beim Menschen so schwierig gestaltet, wie soll man das dann erst bei Tieren anstellen? So können zum Beispiel Orang-Utans Lösungen für eine Problemaufgabe finden, mit denen Kinder unter 6 Jahren Schwierigkeiten haben. Sind Orang-Utans deswegen etwa intelligenter als Menschen? Und sind zum Beispiel Hunde intelligenter als Menschenaffen, weil sie verschiedene Aspekte der menschlichen Kommunikation besser verstehen? Oder doch dümmer, weil sie Schwierigkeiten haben kausale Zusammenhänge zu erkennen? Wer legt fest welche Fähigkeiten besonders wichtig sind?

Es ist also sehr schwierig objektiv zu beurteilen, wie „intelligent“ ein Tier ist. Deswegen spricht man in der Wissenschaft von kognitiven Fähigkeiten, die in verschiedenen Bereichen mehr oder weniger stark ausgebildet sein können. So hat ein sozial lebendes Tier vermutlich stärker ausgebildete sozio-kognitive Fähigkeiten als eine solitär lebende Tierart, die in ihrem natürlichen Umfeld nur sehr selten mit Artgenossen interagiert. Und Tierarten, die bei der Futterbeschaffung auf den Gebrauch von Werkzeugen angewiesen sind, werden in diesem Gebiet gut abschneiden. Die kognitiven Fähigkeiten einer Tierart sind also mit deren Lebensbedingungen abgestimmt.

Hunde sind besonders

Das Besondere an Hunden ist dabei, dass sie sich mit einer artfremden Spezies eine Lebensraum teilen: Nämlich mit uns Menschen. Und an diesen – unseren – Lebensraum sind sie perfekt angepasst. Da sie sehr viele Aspekte von unserer Umwelt verstehen, nehmen wir sie vermutlich auch als besonders schlau wahr.

Sind Hunde schlauer als andere Tiere?

Tatsächlich werden Hunde oft als schlauer eingeschätzt als viele andere Tiere. So sollten Teilnehmer in einer Befragung verschiedene domestizierte Tiere nach deren Intelligenz ordnen. Hunde wurden dabei am höchsten bewertet, darauf folgten Katzen, Schweine, Pferde, Kühe, Schafe, Hühner und Truthähne. Die Nutztiere werden in der Regel also als weniger schlau eingeschätzt. Dass aber auch zum Beispiel Schweine, Schafe und Ziegen ganz schön schlau sind, zeigt u.a. mein lieber Kollege Christian Nawroth in seinen Studien.

 

Menschen überschätzen Hunde

Wissenschaftler von der Monash University haben in einer aktuellen Studie 565 Hundebesitzer befragt, wie sie die mentalen Fähigkeiten ihres vierbeinigen Freundes einschätzen.

Besonders interessant fand ich dabei die Frage, wie man die kognitiven Fähigkeiten von Hunde im Vergleich zum Menschen einschätzt: Fast die Hälfte aller Hundebesitzer vermutet, dass die mentalen Fähigkeiten eines Hundes denen eines 3-5jährigen Kindes entsprechen – eventuell auch, weil es durch diverse Medienberichte suggeriert wird.

Ein Viertel aller befragten Hundebesitzer ist sogar der Meinung, dass Hunde schlauer sind als die meisten Menschen. Oh je, da frag ich mich wirklich, mit was für Menschen sich diese Leute umgeben.

Fehleinschätzung kann kritisch sein

Tatsächlich stößt man ja immer wieder auf Sätze wie „Mein Hund versteht mich besser als jeder Mensch“. So eine Fehleinschätzung kann auch kritische Folgen haben:

Vermeintliches Fehlverhalten ist ein häufiger Grund für die Abgabe eines Hundes in ein Tierheim. Möglicherweise überschätzen die Besitzer in vielen dieser Fälle die mentalen Fähigkeiten ihres Hundes und führen Fehlverhalten auf eine Art „absichtlichen“ Ungehorsam zurück anstatt das Training an den Hund anzupassen.

Sind Hunde nun so schlau wie Kleinkinder?

Sicherlich zeigen Hunde in einigen kognitive Domänen ähnliche Ergebnisse, wie Kleinkinder. In vielen anderen aber nicht. Und das ist überhaupt nicht schlimm,

Hunde sind wunderbare Tiere, deren kognitiven Fähigkeiten (genau wie die morphologischen Merkmale) perfekt an ihren Lebensraum angepasst sind. Ebenso, wie der Mensch an seine Umwelt angepasst ist. Oder ein Schimpanse oder ein Elefant oder ein Fisch. Vergleiche von dem, was wir als „Intelligenz“ bezeichnen, sind völlig unnötig, denn:

„Jedes Tier ist das Schlauste für die ökologische Nische in der es lebt – wäre es das nicht, wäre es nicht da“ (Bailey, 1986)


Quellen:

Davis, S.L., Cheeke, P.R., 1998. Do domestic animals have minds and the ability to think? A provisional sample of opinions on the question. J. Anim. Sci. 76, 2072e 2079.

Howell, T. J., Toukhsati, S., Conduit, R., & Bennett, P. (2013). The perceptions of dog intelligence and cognitive skills (PoDIaCS) survey. Journal of Veterinary Behavior: Clinical Applications and Research, 8(6), 418-424.

Marston, L.C., Bennett, P., Coleman, G., 2004. What happens to shelter dogs? An analysis of data for 1 year from three Australian shelters. J. Appl. Anim. Welf. Sci. 7, 27e47.

Rajecki, D.W., Lee Rasmussen, J., Sanders, C.R., Modlin, S.J., Holder, A.M., 1999. Good dog: aspects of humans’ causal attributions for a companion animal’s social behavior. Soc. Anim. 7, 17e34.

Beitragsbild:

© Marie Nitzschner

2 Kommentare

  1. Hallo Ihr Lieben!
    Ich bin nur ein ganz normaler Hundehalter ohne Doktor- Titel oder Anspruch auf irgendeinen Experten- Status. Und als solcher bin ich immer wieder auf der Suche nach lesenswertem Stoff im Internet. Die meisten Hunde- Blogs oder Seiten zu diesem Thema sind einfach nur schön bunt und/oder glänzen mit Halbwahrheiten. Umso erfreulicher ist es auf einen BLOG wie Euren zu stoßen! Eure Idee wissenschaftliche Erkenntnisse für „jedermann“ verständlich online zu stellen finde ich persönlich absolut genial. Für mich ist dieser BLOG ein echtes Highlight!
    Das wollte ich nur mal kurz an dieser Stelle loswerden.
    Also, vielen Dank und weiter so! 🙂
    LG Wolfhart

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert