Die Werkzeuge der Kakadus

Figaro hatte einen kleinen Fehler gemacht. Der Stein, mit dem er spielte, war aus seiner Voliere gefallen, und durch das Gitter konnte er ihn nicht mehr erreichen. Weder seine Krallen, noch sein kurzer Schnabel waren dabei sonderlich hilfreich.
Mit solchen Problemen schlagen sich Kakadus herum, genauer gesagt Goffinkakadus, die ursprünglich ausschließlich auf den wunderschönen Tanimbar-Inseln nördlich von Australien leben. Aber mit diesem speziellen Problem muss man sich eigentlich nur in Volieren auseinandersetzen, in diesem Fall in der Nähe von St. Pölten in Österreich. Hier untersuchen die Forscherin Alice Auersperg und ihre Kollegen die kognitiven Fähigkeiten von Goffinkakadus.
Figaro jedenfalls wollte seinen Stein wiederhaben, also suchte er sich ein Bambusstöckchen, nahm es in seinen Schnabel und begann zu angeln: ein erstaunlicher Fall von spontanem Werkzeuggebrauch bei einer Spezies, die unter normalen Umständen in freier Natur nie Werkzeug benutzt. Zwar war Figaro mit seiner völlig neuartigen Strategie nicht erfolgreich, doch immerhin inspirierte er einen kontrollierten Verhaltenstest.


In zehn Durchgängen wurden die weiteren Kakadus seiner Gruppe aus der Voliere entfernt – alle bis auf das unterrangige Weibchen Heidi. Figaro sollte sich zwar ungestört mit der Problemlösung beschäftigen können und nicht durch andere beeinflusst werden, aber auch Isolation kann das Verhalten hemmen. Um die Motivation zu erhöhen legten die Forscher statt eines langweiligen Steinchens Cashewkerne außerhalb des Gitters auf einen Holzbalken der Voliere.

 

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© Alice Auersperg

 

Der Vogel verstand und machte sich sofort auf die Suche nach einem Stöckchen. Doch als er nur eins finden konnte, das zu kurz und damit nutzlos war, erstaunte er die Forscher ein weiteres Mal: Figaro begann, mit seinem Schnabel einen großen Splitter aus dem Holzbalken hinter dem Gitter zu brechen. Bis dahin hatte sich keiner der Papageien jemals an dem Balken zu schaffen gemacht, aber Figaro kam spontan auf die Idee, dass man sich sein Werkzeug selbst herstellen muss, wenn kein passendes zur Hand (oder Schnabel) ist. Die Videos von seinen Fertigkeiten sind nicht nur beeindruckend, sondern auch sehr niedlich.



© Alice Auersperg

In seinem letzten Versuch fiel der Vogel durch besonderen Fleiß auf: Er suchte sich einen größeren verästelten Stock vom Boden, entfernte mehrere Seitenäste indem er sich auf den Stock stellte und sie mit seinem Schnabel abzupfte und kürzte den verbleibenden Stock schließlich auf eine brauchbare Länge. Ein sehr komplexes und aufwändiges Verhalten, und all das bevor er sich überhaupt dem so begehrten Cashewkern widmete.

 

Spontane Werkzeugherstellung und -gebrauch sind selten in der Tierwelt: unter den Vögeln kennt man diese Fähigkeit hauptsächlich von einigen Rabenvögeln, aber dokumentierte Beobachtungen von anderen Arten gibt es bisher kaum. Im Gegensatz zu Vögeln mit geraderen Schnäbeln wie den Neukaledonischen Krähen, die als Werkzeugexperten bekannt sind, sind die gebogenen Schnäbel von Goffinkakadus auch nicht gerade optimal für die filigrane Benutzung von Stöckchen geeignet. Da sie sich zudem in ihrem natürlichen Lebensraum vor allem von Samen ernähren und weder auf Werkzeuggebrauch angewiesen sind noch jemals dabei beobachtet wurden, ist diese neue Erkenntnis besonders interessant.

 

Es scheint so, als wenn Goffinkakadus höhere kognitive Fähigkeiten haben als sie unbedingt „bräuchten“ um in ihrer natürlichen Welt zu überleben. Dieser Kognitionsüberschuss wurde unter anderem auch Menschenaffen zugeschrieben, und zum Beispiel damit erklärt, dass ihre komplexen Sozialstrukturen ein entscheidender Grund dafür sein könnten. Zwar ist dies nur eine einzelne Studie mit einem einzelnen Vogel, aber speziesübergreifende Vergleiche sind extrem wichtig und helfen uns dabei, größere Zusammenhänge zwischen Kognition und Evolution zu entdecken. Und vielleicht darf auch Heidi beim nächsten Mal nicht nur bei Figaro zuschauen, sondern sich selbst an Problemlösungen versuchen.

 

Referenz:

Auersperg, A.M.I., Szabo, B., von Bayern, A.M.P., and Kacelnik, A. (2012). Spontaneous innovation in tool manufacture and use in a Goffin’s cockatoo. Current Biology 22, R903-R904.

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