Über Zucht und Partnerwahl

Menschen finden ihren biologisch passenden Partner mit der Nase. Zumindest wenn wir nicht rauchen oder erkältet sind, erkennen wir unterbewusst, welcher Partner optimal zu uns passt – mit wem wir also die widerstandsfähigsten Nachkommen zeugen können.

Das funktioniert über die sogenannten MHC-Komplexe. Die Haupthistokompatibilitätskomplexe (engl: Major Histocompatibility Complex; MHC) sind eine Gruppe von Genen, die Proteine codieren, welche für die Immunerkennung und die immunologische Individualität verantwortlich sind. Diese MHC-Regionen gibt es bei allen Wirbeltieren. Angefangen bei den Knorpelfischen (Haie, Rochen) bis zu uns Menschen. Mit Hilfe dieser Regionen erkennt das Immunsystem, welche Eindringlinge in den Körper gelangen und ob körpereigene Zellen bereits beschädigt sind. Mit dieser Information können dann bestimmte Immunzellen aktiviert werden. Dabei ist es theoretisch so, dass umso mehr Krankheitserreger erkannt werden können je mehr unterschiedliche MHC-Moleküle das Individuum besitzt.

MHC und Partnerwahl

Beim Menschen gibt es Hunderte von verschiedenen MHC-Varianten (Allele). Allerdings besitzt jeder Mensch nur eine geringe Anzahl. Damit die Immunabwehr des Nachwuchses auf eine breite genetische Basis gestellt werden kann, ist es wichtig, dass sich die Partner genetisch in den MHC-Allelen voneinander unterscheiden. So können mehr Krankheiten erkannt und abgewehrt werden.

Dabei gibt es sowohl ein Zuviel, als auch zu wenig an genetischer Vielfalt. Optimal ist dabei, wenn ungefähr die Hälfte der Allele der Partner übereinstimmen und sich die andere Hälfte unterscheidet. Mit dieser Kombination ist die Wahrscheinlichkeit am höchsten, dass die Nachkommen ein starkes Immunsystem aufweisen.

Und tatsächlich sind wir sehr gut darin, unbewusst diesen optimalen Partner zu finden. Dies wurde wurde nicht nur beim Menschen, sondern auch bei Mäusen, Stichlingen und auch vielen anderen Tieren nachgewiesen.

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit trifft das auch auf Hunde zu. Wenn eine Hündin also die freie Wahl hätte, würde sie sich also einen Rüden auswählen, der ungefähr die Hälfte der eigenen MHC-Komplexe besitzt und zur Hälfte andere als sie. So würde sie möglichst widerstandsfähige Nachkommen zeugen.

In der Zucht…?

Die Realität sieht ja nun aber leider meistens anders aus. Anstatt die Hündin wählen zu lassen und sich auf diese sehr basalen biologischen Mechanismen zu verlassen, die bei sämtlichen Wirbeltierarten elementar in der Partnerwahl sind, wird der Hündin ein Rüde vorgesetzt, den die Züchter für geeignet erachten. Dabei wird ganz sicher auf andere Punkte Wert gelegt und ist es äußerst fraglich, ob die MHC-Allel-Kombination optimal ist. Oft genug wird dabei nichtmal Rücksicht genommen, ob sich die Hündin von diesem Rüden überhaupt decken lassen möchte oder nicht. Was das für die Immunsysteme der Nachkommen bedeutet, sollte klar sein.

Im Sinne einer Zucht, in der es um gesunde Nachkommen gehen sollte, könnte man diese Vorgehensweise eventuell überdenken.


Einen sehr spannenden und ausführlichen Vortrag zum Thema „Partnerwahl und MHC-Komplex“ gibt es hier von einem der führenden Forscher zum Thema, Prof. Manfred Milinski:

Weiterführende Literatur (Auswahl):

Wedekind, C., Seebeck, T., Bettens, F., & Paepke, A. J. (1995). MHC-dependent mate preferences in humans. Proceedings of the Royal Society of London B: Biological Sciences260(1359), 245-249.

Milinski, M., Griffiths, S., Wegner, K. M., Reusch, T. B., Haas-Assenbaum, A., & Boehm, T. (2005). Mate choice decisions of stickleback females predictably modified by MHC peptide ligands. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America102(12), 4414-4418.

Wegner, K. M., Kalbe, M., Kurtz, J., Reusch, T. B., & Milinski, M. (2003). Parasite selection for immunogenetic optimality. Science301(5638), 1343-1343.

2 Kommentare

  1. Bei den wissenschaftlichen Fakten sicher sehr zutreffend, jedoch wird der Artikel leider eher einseitig bei der Beschreibung des Deckaktes beim Züchter.
    Ein seriöser Züchter mit fachlichem Hintergrundwissen wird einen Deckakt nicht erzwingen.
    Die Hunde bekommen vorab genug Zeit um sich gegenseitig zu „beschnüffeln“ und um ihre MHC Komplexe zu ergründen.
    Einen Zwangsdeckakt gibt es mit Sicherheit beim Vermehrer und beim Züchter ohne Hintergrundwissen.
    Umso wichtiger, diese Frage beim Züchter vorab zu erfragen.
    Aber bei guten Züchtern werden solche Praktiken nicht unterstützt und die Hündin hat definitiv ein Mitbestimmungsrecht.
    Liebe Grüße
    Danni

    • Wenn es nicht zutrifft, ist ja alles gut 🙂 Meiner Erfahrung nach ist es aber sehr oft der Fall, dass der Rüde anhand von irgendwelchen äußeren Merkmalen und Zuchttafeln ausgesucht wird. Ich habe mal gehört, dass in der Pferdezucht teilweise der Stute mehrere Hengste gleichzeitig präsentiert werden und sie sich einen aussuchen darf. Weiß allerdings nicht, wie verbreitet das ist. Sowas wurde wohl in einzelnen Hundezuchtverbänden mal überlegt, aber mWn noch nicht umgesetzt. Ich fänd, das wär eine durchaus sinnvolle Herangehensweise.

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