Neues von der Dominanzfront

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Das Konstrukt der sozialen Dominanz im Bezug auf den Hund war lange heftig umstritten. Doch mittlerweile gibt es eine Vielzahl an Studien, die eine Dominanzstruktur bei Hunden zeigen konnten: Eine lineare Rangordnung konnte sowohl in verschiedenen Populationen von wildlebenden Hunden in Italien und Indien nachgewiesen werden, als auch in einer Gruppe von Haushunden, die in einer Hundetagesstätte untersucht wurden. Wichtig hierbei ist, dass alle diese Untersuchungen auf der Auswertung der submissiven Signale (Unterwürfigkeitssignale) beruhen, die auch außerhalb von aggressiven Auseinandersetzungen auftreten können (z.B. beim Begrüßen) und nicht auf aggressiven Interaktionen.

In einer anderen Untersuchung an einer Gruppe von kastrierten Rüden konnte keine Dominanzstruktur beobachtet werden. In dieser Untersuchung haben die Autoren Verhaltensweisen gemessen, von denen sie annahmen, dass sie geeignet sind um die Rangordnung zu bestimmen. Bei den meisten dieser Verhaltensweisen handelte es sich um Signale, die hauptsächlich im Kontext von Auseinandersetzungen genutzt werden. Allerdings wurde nicht geprüft, ob diese Verhaltensweisen tatsächlich tauglich sind um damit Schlüsse auf die Dominanzbeziehungen zu ziehen.

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In einer aktuellen Studie wurde nun systematisch untersucht, ob es Dominanzstrukturen in einer Gruppe von Haushunde gibt und welche Verhaltensweisen geeignet sind, um Dominanzhierarchien bei Hunden zu zeigen. Hierbei wurde drei Monate lang eine Gruppe Hunde beobachtet und insgesamt 24 Verhaltensweisen und sieben verschieden Körperhaltungen in fast 5000 Interaktionen analysiert. Die Autoren haben ausgewertet, inwieweit die Verhaltensweisen verbreitet waren, ob sie immer nur in eine Richtung ausgeführt wurden (das stellt ein wichtiges Kriterium für eine Dominanzbeziehung dar) und ob sich daraus eine Linearität in der Rangordnung ableiten lässt.

In in dieser Untersuchung konnte gezeigt werden, dass aggressive Verhaltensweisen, wie zum Beispiel starren, knurren oder Zähne zeigen KEINE Indikatoren für die Dominanzbeziehung sind. Eine klarer Indikator hingegen war, welche Körperhaltung der Hund gegenüber einem anderen Hund zeigt bzw. inwieweit sich diese während der Interaktion verändert. Die Körperhaltung des Hundes gilt als formales Dominanzsignal. Formale Dominanzsignale zeichnen sich dadurch aus, dass sie auch außerhalb von agonistischen Auseinandersetzungen auftreten (z.B. beim Begrüßen), also kontextunabhängig sind. Ähnliche Ergebnisse erzielten bereits die vorherigen Studien mit wildlebenden Hunden.

Mit dieser Studie konnte abermals gezeigt werden, dass es feste, lineare Dominanzhierarchien gibt, die auch unabhängig vom Kontext sind. Diese Rangordnung etabliert sich nicht durch aggressive Auseinandersetzungen, sondern durch hochritualisierte kommunikative Signale, die dazu dienen, Statusinformationen auszutauschen.

 

 


Weitere Artikel zum Thema findest du hier:

Welche Rolle spielt Dominanz in der Hund-Mensch-Beziehung?

Dominanz – der Versuch einer sachlichen Betrachtung

Gibt es Dominanzstrukturen bei Hunden?


Bildnachweis:

© „Mattis und Reggae“ von Dr. Nora Brede/ Antist.net

Vielen lieben Dank Nora, dass ich die tollen Fotos nutzen darf!

Quellen:

Bradshaw, J. W., Blackwell, E. J., & Casey, R. A. (2009). Dominance in domestic dogs—useful construct or bad habit?. Journal of Veterinary Behavior: Clinical Applications and Research4(3), 135-144.

Cafazzo, S., Valsecchi, P., Bonanni, R., & Natoli, E. (2010). Dominance in relation to age, sex, and competitive contexts in a group of free-ranging domestic dogs. Behavioral Ecology21(3), 443-455.

Pal, S. K., Ghosh, B., & Roy, S. (1998). Agonistic behaviour of free-ranging dogs (Canis familiaris) in relation to season, sex and age. Applied Animal Behaviour Science59(4), 331-348.

Trisko, R. K., & Smuts, B. B. (2015). Dominance relationships in a group of domestic dogs (Canis lupus familiaris). Behaviour152(5), 677-704.

van der Borg, J. A., Schilder, M. B., Vinke, C. M., & de Vries, H. (2015). Dominance in domestic dogs: a quantitative analysis of its behavioural measures. PloS one10(8), e0133978.

Weiterführende Literatur:

Schilder, M. B., Vinke, C. M., & van der Borg, J. A. (2014). Dominance in domestic dogs revisited: Useful habit and useful construct?. Journal of Veterinary Behavior: Clinical Applications and Research9(4), 184-191.

Bradshaw, J. W., Blackwell, E. J., & Casey, R. A. (2015). Dominance in domestic dogs—A response to Schilder et al.(2014). Journal of Veterinary Behavior: Clinical Applications and Research.

3 Kommentare

  1. Naklar.. Mein Sohn derjedes mal zur Seite rutscht wenn sein Schwester auch an den Tisch möchte ist also „niederrangiger“ als Sie? Dabei reicht er ihr auch noch jedesmal die Butter.. Hilfe!

  2. Das sollte eigentlich jeder wissen, der Hunde wirklich intensiv beobachtet

  3. Wie wunderbar!!! Echte Dominanz hat überhaupt nichts mit Aggression zu tun! Es ist „einfach nur“ eine Fähigkeit zu führen und sich zu sorgen, dafür zu sorgen, dass sich andere anvertrauen! Es ist die Fähigkeit, die in der Natur noch vorhanden ist – uns Menschen leider abhanden kam…

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