Hunde, Oxytocin und die „Gefühls-Rückkopplung“

 

Schau mir in die Augen, Kleines!

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Das Hormon Oxytocin, gern auch das „Kuschelhormon“ genannt, beeinflusst das menschliche Verhalten in einer Vielzahl von sozialen Interaktionen. Vor allem in der Mutter-Kind-Beziehung spielt es eine zentrale Rolle. Beim Stillen setzt die Mutter Oxytocin frei und durch ihre Zuwendung steigt auch beim Baby der Oxytocin-Gehalt an. Dieses wendet sich nun vermehrt der Mutter zu, wodurch wiederum deren Oxytocin-Level weiter ansteigt. Durch diese positive Rückkopplung wird die Bindung zwischen Mutter und Kind nachhaltig gestärkt.

 

Vor ein paar Tagen erschien nun ein Artikel im Wissenschaftsmagazin „Science“, der Hinweise liefert, dass es so eine „Gefühls-Rückkopplung“ auch zwischen Hund und Mensch gibt. Dabei wurden 30 Halter und ihre Hunde sowie 11 Wölfe und deren Pfleger 30 min lang beobachtet. Vor und nach diesem Zeitraum wurden Urinproben genommen, um den Oxytocin-Gehalt zu bestimmen und es wurde ausgewertet, wie lange die Hunde und Wölfe ihre Besitzer anschauten.

 

 

Einfluss der Domestikation?

 

Die Ergebnisse zeigen, dass bei Hunden ein Anstieg im Oxytocin-Level auftrat, wenn sie längeren Blickkontakt mit ihren Besitzern hatten. Bei Wölfen gab es diesen Anstieg nicht. Daraus wird nun geschlussfolgert, dass Wölfe weniger bindungsfähig seien und die Bindung zum Menschen erst während der Domestikation entstanden wäre.

Wenn man aber genauer hinschaut, stellt man sehr schnell fest, dass diese Schlussfolgerung ziemlich übertrieben ist.

Zum einen wurden hier Hunde, die mit ihrem Besitzer in einem Haushalt leben, mit Wölfen aus Gehegehaltung verglichen. Die Unterschiede in den Ergebnissen könnten also genauso gut aus den unterschiedlichen Haltungsbedingungen resultieren und lassen somit keinen Rückschluss auf Domestikationsprozesse zu. Außerdem wurden gerade einmal die Messwerte von fünf der elf Wölfe bei der Auswertung berücksichtigt.

 

Zudem waren es nur 9 von 30 Hunden, die ihre Besitzer längere Zeit ausgeschaut haben und bei denen es zu einem Anstieg des Oxytocin-Levels kam. Das heißt also, dass die anderen 2/3 der teilnehmenden Hunde ihre Besitzer nur wenig anschauten und – wie bei den Wölfen – keine Veränderung des Oxytocin-Niveaus messbar war. Zusätzlich zeigten die Hunde in der ersten Gruppe vermehrt Körperkontakt mit dem Besitzer, was mit hoher Wahrscheinlichkeit ausschlaggebend für die erhöhte Oxytocinkonzentration sein könnte.

 

Haben Hündinnen eine engere Bindung?

 

In einem zweiten Experiment sprühten die Wissenschaftler der Hälfte der teilnehmenden Hunde eine Lösung mit Oxytocin in die Nase. Die andere Hälfte der Hunde bekam Kochsalzlösung verabreicht und diente somit als Vergleichsgruppe. Nun wurde wieder das Blickverhalten der Hunde und ihrer Besitzer analysiert und die Hormonkonzentration im Urin gemessen.

Die Ergebnisse der zweiten Studie zeigen, dass nur Hündinnen auf die Gabe des Oxytocin reagierten, indem sie den Besitzer länger anschauten. Durch die längeren Blickzeiten der Hündinnen, stieg auch der Oxytocingehalt im Urin der Besitzer. Allerdings stieg das Oxytocinlevel bei den Hündinnen selbst nicht an – was aber der Fall sein sollte, wenn es tatsächlich eine positive Rückkopplung durch Blickkontakt gäbe. Bei Rüden war kein Unterschied im Blickverhalten festzustellen und es konnten auch keine Änderungen im Hormonlevel festgestellt werden. Rückschlüsse kann man aus diesem Ergebnis nicht wirklich ziehen – vor allem weil es im ersten Experiment keine Unterschiede zwischen Rüden und Hündinnen gab. Mir ist auch keine Studie bekannt, die zeigt, dass Hündinnen eine engere Bindung zu ihrem Besitzer hätten.

 

Hunde-spezifisch?

 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Oxytocin durchaus eine wichtige Rolle in der Bindung zwischen Hund und Mensch spielt. Allerdings sollte man aufpassen, dass man diese Rolle nicht überbewertet. Zum einen ist Oxytocin nur einer von vielen chemischen Bestandteilen, die in hochkomplexen Prozessen und Wechselwirkungen das Bindungsverhalten beeinflussen. Zum anderen halte ich es für höchst unwahrscheinlich, dass sich dieses Phänomen auf unsere Beziehung mit Hunden beschränkt. Ich nehme eher an, dass ähnliche Mechanismen auch in der Beziehung zu anderen Haustieren, wie zum Beispiel Katzen oder Pferden auftreten. Das wurde eben nur noch nicht getestet.

 

 

Weiterführende Links:

https://www.psychologytoday.com/blog/dogs-and-their-people/201504/did-dogs-hack-the-oxytocin-love-circuit?hc_location=ufi

http://www.scientificamerican.com/article/is-the-gaze-from-those-big-puppy-eyes-the-look-of-your-doggie-s-love/

https://www.psychologytoday.com/blog/animal-emotions/201504/dogs-humans-and-the-oxytocin-mediated-strong-social-bond

Referenz:

Nagasawa et al. (2015). Oxytocin-gaze positive loop and the coevolution of human-dog bonds. Science, 348 (6232), 333336. 

Zusatzmaterial

 

 

2 Kommentare

  1. Was man auch beachten sollte ist, dass bei den Wölfen kein Körperkontakt zu den Menschen statt gefunden hat. Die Frage ist auch ob unter den Wölfen Körperkontakt nicht auch Oxytocin zu einer Bindung führt. Ich vermute mal, dass Wölfe ggf in Gruppen schlafen. Auch müsste Oxytocin zur Bindung bei Wolfswelpen und der Fehe eine rolle spielen.
    Ansonsten klingen die Forschungen immer bissel wie hingerotzt um ein paar Hundehaltern ein gutes Gefühl zu geben wenns ein Artikel durch die großen Medien huscht … 😉

    • Ja, das ist tatsächlich auch noch ein Aspekt. In dieser Studie gibt es einfach so viele Fehlerquellen, das ist echt krass. Und sicherlich hast du auch mit deiner letzten Vermutung nicht ganz unrecht. Leider. Wissenschaft sollte eigentlich anders funktionieren…. 🙁

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