Halt den Mund und streichle mich!

Auch wenn dieser Ausspruch durchaus von mir stammen könnte, handelt es sich hierbei um den Titel der aktuellen Publikation von Erica N. Feuerbacher und Clive D. L. Wynne von Arizona State University in den USA.

Die beiden Wissenschaftler haben untersucht, ob Hunde streicheln gegenüber sprachlichem Lob bevorzugen. Außerdem analysierten sie, ob diese Präferenz von der Vertrautheit der Person abhängt.

Das Wissenschaftler-Team führte zwei Experimente durch.

 

Experiment 1:

 

Im ersten Experiment nahmen 28 Familienhunde sowie 14 Hunde aus dem Tierheim teil.

 

Versuchsablauf

 

Den Versuchsaufbau kannst du in der Abbildung 1 sehen. Auf jeden der beiden Stühle nahm ein Assistent Platz, von denen jeder eine bestimmte Rolle spielte. Bei der Hälfte der Familienhunde spielte der Besitzer einen der beiden Assistenten, bei der anderen Hälfte der Familienhunde sowie bei den Tierheimhunden übernahmen zwei fremde Personen die Rollen der Assistenten.

Bevor der eigentliche Versuch losging, wurde der Hund an die beiden Assistenten gewöhnt. Dazu führte der Versuchsleiter den Hund zu jedem der beiden Assistenten, der dann – je nach Rolle – den Hund entweder für eine Minute streichelte oder für eine Minute mit freundlicher Stimme mit dem Hund sprach. Nach dieser Gewöhnungsphase führte der Versuchsleiter den Hund zum Startpunkt an der anderen Seite des Versuchsraumes und ließ ihn von der Leine.

 

Nun beginnt der eigentliche Test:

 

Die beiden Assistenten blieben auf ihren Stühlen sitzen. Wie du der Abbildung 1 entnehmen kannst, befindet sich um jeden Stuhl eine markierte Zone. Sobald der Hund eine der Zonen betritt, streichelt ihn der entsprechende Assistent oder spricht mit ihm mit hoher, freundlicher Stimme (“Du bist aber ein guter Hund! Was für ein süßer Hund du bist!” etc.). Dieser erste Versuchsabschnitt dauerte fünf Minuten. Für den zweiten Versuchsabschnitt (erneut fünf Minuten) tauschten die beiden Assistenten die Rollen. Also derjenige, der vorher den Hund gestreichelt hat, spricht jetzt mit ihm und andersherum. Während dieser zwei fünfminütigen Versuchsabschnitte maßen die Forscher die Zeit, die der Hund in der Nähe von jedem Assistenten verbrachte und welchen Assistenten er zuerst wählte.

 

Halt den Mund

Abbildung 1: Versuchsaufbau in Experiment 1. Abbildung nach Feuerbacher & Wynne, 2014

 

Ergebnisse

Die Hunde aller Versuchsgruppen bevorzugten es, sich in der Nähe der streichelnden Person aufzuhalten. Sogar wenn der Besitzer die Rolle des sprechenden Assistenten einnahm, verbrachten die Hunde mehr Zeit mit der (fremden) streichelnden Person. Interessanterweise zeigten die Tierheimhunde die größte Präferenz für den „Streichler“. Möglicherweise genossen diese die Streicheleinheiten besonders, weil sie in ihrem Alltag weniger Zuwendung bekommen.

 

Experiment 2:

 

Im zweiten Experiment versuchte das Wissenschaftler-Team zu ergründen, ob die Hunde die Nähe des sprechenden Assistenten suchen, wenn dies die einzig mögliche soziale Interaktion darstellt. Diese Ergebnisse wurden verglichen mit Situationen, in denen der Assistent den Hund streichelte oder komplett ignorierte.

 

Der Versuchsaufbau in dem zweiten Experiment ähnelt dem Versuchsaufbau in Experiment 1 mit dem Unterschied, dass nur ein Stuhl im Raum steht und nur ein Assistent anwesend ist. In dem zweiten Experiment nahmen 36 Familienhunde und 36 Tierheimhunde teil, die in je drei Gruppen unterteilt wurden. Bei den Familienhunden spielte der Besitzer die Rolle des Assistenten, während bei den Tierheimhunden eine fremde Person diese Rolle übernahm.

 

Gruppe 1: Streicheln vs. Loben – Die Hunde wurden in der Hälfte der Zeit von dem Assistenten gestreichelt und in der anderen Hälfte der Versuchszeit wurden sie mündlich gelobt, sobald sie die Nähe des Assistenten suchten.

Gruppe 2: Loben vs. Ignorieren – in der Hälfte der Versuchszeit lobte der Assistent die Hunde und ignorierte sie komplett in der restlichen Zeit.

Gruppe 3: nur Streicheln – die Hunde wurden über die gesamte Versuchszeit gestreichelt, wenn sie in der Nähe des Menschen waren.

 

Ähnlich wie in Experiment 1 hielten sich die Hunde in Gruppe „Streicheln vs. Loben“ länger bei dem Assistenten auf, wenn sie von ihm gestreichelt wurden als wenn er sie mit freundlicher Stimme ansprach. Überraschenderweise hielten sich die Hunde in Gruppe „Loben vs. Ignorieren“ ebenso lange in der Nähe des Menschen auf, wenn dieser mit ihnen sprach, wie wenn der Mensch den Hund ignorierte. Die Ergebnisse in Gruppe „nur Streicheln“ zeigten, dass die Hunde sich auch über einen längeren Zeitraum konstant bei dem streichelnden Assistenten aufhielten. In allen drei Gruppen hielten sich die Tierheimhunde ähnlich oft beim fremden Assistenten auf, wie die Familienhunde bei ihrem Besitzer.

 

Die Ergebnisse der beiden Experimente legen nahe, dass Hunde Streicheln gegenüber sprachlicher Interaktion bevorzugen und dass dieser Effekt nicht von der Vertrautheit mit dem Menschen abhängt. Tatsächlich scheint sprachliches Lob keinen stärkeren Effekt als ignorierendes Verhalten zu haben.

Die Forscher leiten aus diesen Ergebnissen ab, dass sprachliches Lob allein kein brauchbares Trainingshilfsmittel ist, solange es nicht vorher sorgfältig konditioniert wurde. Wahrscheinlich würden sogar konditionierte Belohnungseffekte schnell verschwinden, wenn sprachliches Lob nicht regelmäßig durch andere Verstärker (z.B. Futter oder Streicheln) unterstützt werden würde.

Die Resultate dieser beiden Ergebnisse zeigen, dass Streicheln eine wichtige soziale Interaktion darstellt, die auch relevant für die Bindungsbildung zwischen Halter und Hund ist.

 

In diesem Sinne wünsche ich fröhliche Streichelstunden!

 

Referenz:

Feuerbacher, E. N., & Wynne, C. D. (2014). Shut up and pet me! Domestic dogs (Canis lupus familiaris) prefer petting to vocal praise in concurrent and single-alternative choice procedures. Behavioural processes (Link)

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