Die Hundewelt und der Wahrheitsanspruch

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Warnung: Heute gibt es mal nix Wissenschaftliches, sondern meinen ganz persönlichen Senf zum Geschehen in der Hundewelt. Muss auch mal sein.

Wenn man sich in der Hundewelt bewegt, fällt eines vermutlich schnell auf: Zu fast jedem Thema gibt es einen riesigen Diskussionsbedarf. Ist ja auch erstmal nicht schlimm. Eine sachliche Diskussion dient ja schließlich dem Austausch von Argumenten und im Zweifelsfall lernt jeder noch etwas dazu.

Aber meistens gestaltet sich das doch anders: Anstatt vernünftiger Diskussionen entwickeln sich erbitterte Grabenkämpfe, die nicht selten die Sachebene verlassen und sehr persönlich werden.

Da werden Menschen, die ihrem Hund Trockenfutter füttern zu Tierquälern; Halter, die ihrem Hunde ein Halsband anlegen sind sowieso verantwortungslos; Mal ganz zu schweigen von Besitzern, die ihre Tiere (nicht) kastrieren lassen (je nach Standpunkt).

 

Leider neigen wir Menschen dazu, Dinge zu vereinfachen und undifferenziert zu betrachten.

 

Hier mal einige Beispiele, denen man so oder so ähnlich regelmäßig begegnet:

  • das Zusammenleben zwischen Hund und Mensch funktioniert nur, wenn der Besitzer immer und überall seine Dominanz demonstriert
  • Strafe schadet dem Hund und muss unbedingt immer vermieden werden
  • Wenn der Hund jagen geht, hat er keine Bindung zum Besitzer
  • BARF (kann gerne durch Ernährungsform X ersetzt werden) ist die natürlichste und einzige gesunde Ernährungsform für Hunde
  • Trockenfutter (kann gerne durch Ernährungsform Y ersetzt werden) ist absolut ungesund
  • Hunde mögen nicht umarmt werden und Streicheln taugt nicht als Belohnung
  • Medikament XY ist pures Gift und die Pharmalobby will nur Geld damit verdienen
  • Alternative Heilmethoden sind Humbug
  • Hunderasse X ist ein toller Familienhund
  • Hunderasse Y ist total aggressiv
  • Kastration verbessert Verhaltensprobleme
  • Stress ist immer schlecht
  • Halsbänder haben schwere gesundheitliche Folgen

Das sind nur einige Beispiele und ich bin mir sicher, euch fallen auch noch andere ein.

 

Extreme Standpunkte – viele Emotionen

 

Auffällig ist auch oft, dass gerade Menschen, die sehr vehement extreme Standpunkte vertreten, oft die wenigsten Argumente haben. Meist sind sehr viele Emotionen und gaaanz viel Bauchgefühl beteiligt (das heißt nicht, dass Emotionen und Bauchgefühlt keinerlei Berechtigung haben – sie sollten aber meiner Meinung nach in einer sachlichen Diskussion nicht die tatsächlichen Argumente überlagern).

Das Problem bei extremen Standpunkten: Es fehlt die Objektivität. Verantwortlich für die verzerrte Wahrnehmung ist u.a. der sogenannte Bestätigungsfehler. Ein Bestätigungsfehler (engl. confirmation bias) ist in der Kognitionspsychologie die Neigung, Informationen so auszuwählen, zu ermitteln und zu interpretieren, dass diese die eigenen Erwartungen erfüllen (Wikipedia).

 

Ein Beispiel: Wenn jemand der Meinung ist, dass man Hunde nur mit Rohfütterung gesund ernähren kann, wird der-/diejenige eine Studie, die dafür spricht, vermutlich unkritisch annehmen. Trifft eine Studie allerdings eine gegenteilige Aussage, wird dann ganz schnell vermutet, dass irgendein Futtermittelkonzern dahinter steckt und die Studie sowieso keine Aussagekraft hat.
(Dieses Muster ist natürlich auf sämtliche oben genannte Aussagen übertragbar)

 

Dieser Bestätigungsfehler ist völlig normal – es ist für uns Menschen fast unmöglich, Dinge völlig objektiv zu betrachten, da wir immer von unseren eigenen Erfahrungen und Emotionen beeinflusst werden. Das ist ja auch nicht schlimm, solange man sich dessen bewusst ist und den eigenen Standpunkt regelmäßig hinterfragt.

 

Mein Rat an alle Hundemenschen (aber auch außerhalb der Hundewelt durchaus relevant):

 

Alle Aussagen, die verallgemeinernd sind und einen alleinigen Wahrheitsanspruch besitzen, sollte man sehr skeptisch betrachten.

 

Die Welt ist nie schwarz-weiß!

 

Genau wie jeder Mensch, ist auch jeder Hund ein Individuum mit eigener Persönlichkeit, eigenen Erfahrungen, eigenen Vorlieben usw.. Und man darf nicht vergessen: Bei einen Hund-Mensch-Team treffen zwei Individuen mit potentiell unterschiedlichen Persönlichkeiten aufeinander. Wie soll es denn da eine Lösung für alle geben?

Aussagen, die behaupten, dass Trainingsmethode X, Ernährungsform Y, Heilmethode Z oder (was auch immer) für jedermann das Nonplusultra (oder generell total schrecklich) seien, kann man getrost in die Tonne treten.

So. Und jetzt dürft ihr diskutieren. Aber bitte schön sachlich 😉

9 Kommentare

  1. Na ja, liebe Marie,

    Meinungsverschiedenheiten sind ja in allen möglichen Bereichen (bis hin zu inneren Konflikten) an der Tagesordnung. Ob die dann als Extreme wahrgenommen werden, liegt am Betrachter und dessen Einstellungen zu den Meinungen.

    Ich persönlich finde es viel anstrengender, wenn die Leute trotz haufenweiser schlüssiger Argumente, sich erst mal total angegriffen fühlen und alle Scheuklappen dicht machen. Und der Hund, der ja treu und sprachlos alles hinnimmt, was die selbsternannten Hundeflüsterer am heiligen Fernseh- oder Facebook-Gral so verzapfen
    und von Gralshörigen auf sie einprasselt, die werden ihr Leben lang mit Mono-Diät verköstigt, als Dressur-, Sport- oder Showobjekt über den Platz gejagt und wenn sie dann irgendwann an Arthrose, Organversagen oder gar was psychischem leiden, dann isses halt rassebedingt oder es liegt an den Hormonen, deren Brutstätten man noch nicht herausgeschnibbelt hat. Diese Verbohrtheit finde ich schade und da erhoffe ich mir von wissenschaftlicher Seite einen offeneren Blick. So werden ja im humanen Forschungsumfeld auch schon Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften in der Pädagogik genutzt und beim Hund läuft seit Pavlow alles und immer auf Konditionierung hinaus… War das jetzt extrem? Vermutlich schon oder?

  2. Beat Eichenberger

    Bravo Marie – Ich kann Dich nur ermuntern weiterhin für Deine Offenheit und individuelle Betrachtung der Situationen einzutreten. Das dogmatische Verhalten von uns Menschen beruht meist daher, dass eigene Verhaltensformen und Ansichten revidiert werden müssten. Was eventuell dazu führen kann, einen eigenen Irrtum einzugestehen. Wen sich der eine oder andere bewusst wird, dass man nur aus heutiger Sicht etwas (falsch) gemacht hat, weil man es damals nicht besser wusste oder einen anderen Beobachtungswinkel hatte, würde es manch einem etwas einfacher fallen seinen Standpunkt pragmatisch zu betrachten. Fanatismus ist und bleibt der Erzfeind der Toleranz. Es ist ähnlich wie bei Hunden: „Souveränität wird erst durch den Umgang mit anderen wirklich deutlich“ und die eigene Unsicherheit wird oftmals mit aggressionsmerkmalen kompensiert 😉

  3. Hallo Marie,

    gerade war ich auf der Suche nach einer Auflistung aller existierenden Ernährungsformen für Hunde und dabei bin ich auf diesen Beitrag gestoßen. Hab ihn gelesen, ohne zu wissen, wer ihn geschrieben hat und mir gedacht: „genau!!!“. Dein Beitrag trifft (leider) genau den „Kern“ der Hundehalterwelt. Da ich über Ernährung blogge, kann ich mittlerweile auch das ein oder andere „Lied“ von solchen Diskussionen singen. Ich glaube ich bin schon hundertfach (nicht übertrieben) mental dafür gesteinigt worden, dass ich Kritik am Konzept BARF geübt habe, eben aus den von dir genannten Gründen, weil es nach meiner Meinung einfach nicht DIE EINE und EINZIG RICHTIGE Form der Ernährung von Hunden gibt. Vielen Dank für den schönen Artikel und du hast absolut recht: die Welt ist nicht schwarz-weiß, sondern bunt 😀

    Liebe Grüße
    Anke

  4. Emotionen gehören zum (normalen) Menschen. Es gibt auch genügend Menschen die zu herkömmlichen Emotionen nicht fähig sind, aber das ist ein anderes Thema. Diese ganzen unsachlichen Grabenkämpfe sind ja nicht auf die „Hundemenschen“ beschränkt. In vielen anderen Bereichen knallt es noch sehr viel schlimmer. Streckenweise wird bewusst Stimmung gemacht – auf öffentlichen und nicht- öffentlichen Plattformen. Und besonders gerne und immer häufiger werden meines Erachtens nach bewusst Ängste geschürt um Menschen zu manipulieren.

    Grundsätzlich sehe ich das Problem aber etwas „höher“ angesiedelt und glaube auch nicht in absehbarer Zeit an eine Lösung. Das Aufrufen zur Besinnung (wie es aktuell auf einigen „Hundeseiten“ im Netz praktiziert wird) ist ganz sicher nicht verkehrt und absolut zu begrüßen! Jedoch bezweifle ich ein wenig, ob die Zielgruppen nachhaltig erreicht werden, bzw. ob sie sich überhaupt erreichen lassen wollen. OK, ich schweife schon wieder ab…

    Wie schon gesagt halte ich die Aufrufe zur Besinnung grundsätzlich für eine gute Sache! Vielleicht lässt sich der eine oder andere Mensch ja doch erreichen und zu einem etwas verantwortungsbewussteren Umgang mit seinen Eigenschaften und Fähigkeiten überzeugen. Ein offener und ehrlicher Meinungsaustausch ist im Grunde ja eine tolle Sache und bringt im besten Falle für beide beteiligten Seiten neue Erkenntnisse – wenn die nötige Offenheit vorhanden ist.

    Auf manchen Hundeblogs – um mal zur Sache zurückzukommen – kann man aber bereits in der Überschrift die eigentliche Absicht des Verfassers erkennen. Bereits dort ist zu erkennen, dass keinerlei sachliche Diskussion folgen kann. Die gleiche Abscheu verspüre ich wenn ich am Kiosk die Titelseite der einschlägigen Klatschpresse sehe. Eine reißerische Überschrift soll ja Emotionen erzeugen. Und dieser Zweck wird immer erfüllt. Die beste Reaktion auf diesen Müll ist meiner Meinung nach – keine Reaktion.

    Ich persönlich leiste mir auch den Luxus einer eigenen Meinung. Ganz besonders bei den Brennpunkten Hundeerziehung und Ernährung. Meine Meinung ist begründet auf meiner persönlichen Erfahrung, die mir niemand absprechen kann. Nach anfänglicher Euphorie habe ich mir allerdings angewöhnt einfach mal ruhig zu bleiben, die Klappe zu halten und nicht jedermann mit meiner Meinung zu „belästigen“. Denn, Stichwort Individuum, was für meine Hunde zutrifft muss für andere Hunde nicht automatisch auch richtig sein. Und wenn ich sehe, dass es meinen Hunden gut geht, dann ist mir das Bestätigung genug. Wozu brauche ich dann noch Facebook & CO.?

    LG Wolfhart

  5. Sehr schöner Beitrag…den ich ebenfalls so unterschreiben würde. Unsere Hunde sind Individuen wie wir auch…und so sollten auch die Trainingsmethoden und Ernährungsphilosopien sein. Nicht in Stein gemeißelt, sondern auf die Situation und den Hund passend – ohne den oftmals unangebrachten Klugscheißermodus, nebst erhobenem Zeigefinger.
    Grüße Danni

  6. Sehe ich genau so wie du! Und schön, dass du auch mal „unwissenschaftlich“ wirst 😉 Gerne öfter!

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